Die Flamme von Pharos
aufrichtig an den Weihnachtsmann geglaubt hatte und ihm zum Lohn leibhaftig begegnen durfte.
Euphorie erfüllte ihn bis ins Mark, während er die schmalen Korridore und Kammern durchmaß. Seine Schritte waren dabei so ausgreifend, dass Mortimer Laydon Mühe hatte, ihm auf den Fersen zu bleiben.
»Gemach, alter Freund«, raunte der Arzt ihm atemlos zu. »Was immer sich hier unten befinden mag – es hat zwei Jahrtausende gewartet, also wird es auch noch ein wenig länger warten können.«
Etwas widerwillig blieb Gardiner stehen, bis sein Begleiter aufgeholt hatte. »Du kannst dir nicht vorstellen, was es mir bedeutet, hier zu sein, alter Knabe.«
»Unterschätze mich nicht.« Über Laydons Züge huschte ein Lächeln. »Man muss kein Archäologe sein, um zu fühlen, dass dies ein besonderer Ort ist.«
»Nicht wahr?« Die Augen des alten Gardiner blitzten, während er den Marsch fortsetzte, verhalten zunächst, dann wieder in die alte Hast verfallend. »Jeder Fuß dieses Gewölbes, jedes Quentchen Luft scheint von Geschichte durchdrungen. Es ist ein wahr gewordener Traum, mein Freund.«
»Noch haben wir weder das Grab noch die Bibliothek gefunden«, brachte Laydon in Erinnerung.
»Selbst wenn wir nichts davon finden würden – allein die Existenz dieser unterirdischen Anlage wäre eine wissenschaftliche Sensation ersten Ranges. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir noch fündig werden. Es liegt in der Luft, alter Freund. Ich kann es förmlich riechen …«
Laydon lachte leise. »Du bist in der Wahl deiner Mittel immer sehr unkonventionell gewesen, Gardiner. Das macht dich so unberechenbar.«
»Unberechenbar?« Kincaid blickte über die Schulter zurück. »Für wen?«
»Für deine Tochter beispielsweise. Nicht von ungefähr wollte Sarah dich nicht alleine gehen lassen.«
»Sarah.« Der Archäologe schürzte die Lippen. »Wer hätte gedacht, dass sie mir bis hierher folgen würde?«
»Scharfsinn, Mut und Neugier hat sie zweifellos von dir geerbt – in gewisser Weise trifft sie also keine Schuld. Zudem fühlte sie sich von dir enttäuscht und im Stich gelassen.«
»Und das mit Recht.« Gardiner nickte. »Die Entscheidung, sie nicht einzuweihen, ist mir nicht leichtgefallen.«
»Ich weiß, alter Freund. Dennoch war es eine kluge Wahl. Hätte Sarah uns von Anfang an begleitet, wäre sie möglicherweise zusammen mit den anderen getötet worden, und ich weiß nicht, ob … Was ist?«
Kincaid war stehen geblieben. Mit einer Geste gebot er Laydon zu schweigen, legte den Kopf schief und lauschte.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Laydon nach einer Weile.
»Ich nehme es an. Für einen Moment glaubte ich, hinter uns Schritte zu hören, als ob wir verfolgt würden …«
»Das werden die anderen sein.«
»Wohl kaum.« Gardiner schüttelte den Kopf. »Ich hatte angeordnet, dass wir uns in der Vorkammer treffen.«
»Mit Verlaub, mein Freund – Sarah hält sich nicht mehr an deine Anordnungen, das solltest du inzwischen festgestellt haben. Sie ist eine junge Frau geworden und hat ihren eigenen Kopf.«
»Ich weiß …«
»Hast du es ihr eigentlich gesagt?«
»Ihr was gesagt?«
»Du weißt, was ich meine.«
Gardiner Kincaid wandte sich um.
»Nein«, gestand er, und seine Euphorie war plötzlich verflogen.
»Sie weiß also noch immer nichts über ihre Kindheit?«
»Nein.« Kincaid schüttelte den Kopf. »Alles, was damals war, ist unter dem Schleier der Dunkelzeit verborgen.«
»Und wenn sie es irgendwann herausfindet?«
»Wie sollte sie? Es gibt nur eine Hand voll Menschen, die das Geheimnis kennen, darunter du und ich.«
»Ich werde schweigen«, versicherte Laydon. »Aber ihr Misstrauen ist entfacht, Gardiner.«
»Ich weiß.« Er nickte wieder. »Ich habe Fehler begangen, aber ich werde alles wiedergutmachen.«
»Inwiefern?«
»Ich werde alt, Mortimer. Meine Kraft lässt allmählich nach, und bei kaltem Wetter schmerzen meine Knochen. Mein Atem wird kürzer, und auch mein Herz schlägt nicht mehr ganz so schnell, wie ich es gerne hätte. Unabhängig davon, was für einen Ausgang diese Expedition nehmen wird – es wird die letzte sein, auf die ich mich begeben habe.«
»Nun«, meinte Laydon, »als dein behandelnder Arzt kann ich dir zu dieser Entscheidung nur gratulieren …«
»Die Bibliothek von Alexandria ist ein Mythos. Ihrem Finder winken in der Tat immerwährender Ruhm und Anerkennung im Pantheon der Wissenschaft – und ich denke nicht daran, ihn für mich allein in Anspruch zu
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