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Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Wenn Kenevah an ihnen vorbeiging, blieben sie stehen und verneigten sich tief, und obwohl sie sich bemühten, es zu vertuschen, musterte jede von ihnen Inevera mit neugierigen und nicht gerade freundlichen Blicken.
    Mehr als eine der Bräute, die ihnen entgegenkamen, war hochschwanger. Es war schockierend, dama’ting in diesem Zustand zu sehen, vor allen Dingen, wenn die einzigen Männer, die sie in ihrer Nähe duldeten, kastriert waren; aber Inevera verbarg ihre Verblüffung, indem sie eine undurchdringliche Miene aufsetzte wie jemand, der sich im Basar aufs Feilschen einstellt. Eine Frage hätte Kenevahs Geduld vielleicht überstrapaziert, und wenn sie hier leben musste, würde sie die Antwort schon noch früh genug erfahren.
    Der Palast besaß sieben Flügel, einen für jede Säule im Himmel, wobei der mittlere Komplex gen Anochs Sonne wies, der letzten Ruhestätte des Kaji. Dies hier war der persönliche Trakt der Damaji’ting , und man führte Inevera in das prächtig ausgestattete Empfangszimmer der Ersten Braut. Qeva und Melan erhielten die Anweisung, draußen zu warten.
    »Setz dich«, befahl die Damaji’ting und deutete auf ein paar mit Samt bezogene Sofas, die vor einem glänzend polierten Schreibtisch aufgestellt waren. Schüchtern nahm Inevera Platz; in diesem riesigen Arbeitszimmer kam sie sich klein und unbedeutend vor. Kenevah setzte sich hinter den Schreibtisch, legte die Fingerspitzen aneinander und starrte Inevera an, die sich unter dem gnadenlosen Blick krümmte.
    »Qeva sagte mir, dass du über deine Namensvetterin im Bilde bist«, begann Kenevah in barschem Ton, und Inevera fragte sich, ob die Damaji’ting sich vielleicht über sie lustig machte. »Erzähle mir, was du über sie weißt.«
    »Inevera war die Tochter des Damaj, des engsten Freundes und Ratgebers Kajis«, antwortete Inevera. »Im Evejah steht, sie sei so schön gewesen, dass Kaji sich auf den ersten Blick in sie verliebte und behauptete, es sei Everams Wille, sie unter all seinen Frauen zur Ersten Gemahlin zu erheben.«
    Kenevah schnaubte. »Die Damajah war mehr als das, Mädchen. Viel mehr. Wenn sie mit Kaji in den Kissen lag, flüsterte sie Worte der Weisheit in sein Ohr und verschaffte ihm dadurch eine unerhörte Machtfülle. Es heißt, sie hätte mit Everams Stimme gesprochen, und deshalb bedeutet dieser Name ›Everams Wille‹. Inevera war auch die erste dama’ting «, fuhr Kenevah fort. »Sie lehrte uns die Kunst des Heilens, das Wissen um Gifte und die hora -Magie. Sie webte Kajis Umhang, der ihn unsichtbar machte, und schnitt die Siegel in seinen mächtigen Speer und in seine Krone.«
    Kenevah fasste Inevera scharf ins Auge. »Und sie wird zurückkehren, wenn der Sharak Ka naht, um den nächsten Erlöser zu finden.«
    Inevera rang nach Luft, aber Kenevah maß sie nur mit einem nachsichtigen Blick. »Ich habe hundertmal erlebt, wie Mädchen mit deinem Namen der Atem stockt, wenn sie das hören, aber keine von ihnen hat je einen Erlöser entdeckt. Wie viele Ineveras gibt es allein in der Damaj-Sippe? Zwanzig?«
    Inevera nickte, und Kenevah brummte zufrieden. Aus ihrem Schreibpult zog sie ein dickes Buch mit einem abgewetzten Lederrücken. Von der früheren Blattgoldverzierung waren nur noch ein paar matte Flecken übrig.
    »Der Evejah’ting«, sagte Kenevah. »Du wirst dieses Buch lesen.«
    Inevera verneigte sich. »Natürlich, Damaji’ting , obwohl ich den Heiligen Text schon viele Male gelesen habe.«
    Kenevah schüttelte den Kopf. »Du hast den Evejah gelesen, Kajis Version, die im Lauf der Jahre obendrein noch geändert wurde, um den Zwecken der dama zu dienen. Aber der Evejah ist nur die halbe Geschichte. Der Evejah’ting, sein Begleitbuch, wurde von der Damajah selbst geschrieben und enthält ihre persönlichen Weisheiten und den Bericht über Kajis Aufstieg. Du wirst jede Seite auswendig lernen.«
    Inevera nahm das Buch in die Hand. Die Seiten waren unglaublich dünn und weich, aber der Evejah’ting war genauso dick wie der Evejah, den Manvah sie zu lesen gelehrt hatte. Sie drückte das Buch fest an ihre Brust, als wolle sie es vor Dieben schützen.
    Die Damaji’ting reichte ihr einen prallen Beutel aus schwarzem Samt. Als Inevera ihn entgegennahm, klapperte etwas darin.
    »Dein hora -Beutel«, erklärte Kenevah.
    Inevera wurde blass. »Er enthält Dämonenknochen?«
    Kenevah schüttelte den Kopf. »Es wird mehrere Monate dauern, bis du ausreichend geschult bist, um echte hora auch nur zu berühren, und dann

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