Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
wartest hier mit Melan«, beschied Qeva Manvah und forderte Inevera auf, eine der Zellen zu betreten. Das Mädchen fuhr zusammen, als die schwere Tür sich hinter ihnen schloss.
In einer Ecke des Raums befand sich ein steinernes Podest, und dort legte die dama’ting das glühende Ding ab. Es sah aus wie ein Klumpen Kohle, in den glimmende Siegel eingekerbt waren, doch selbst Inevera wusste es besser. Es handelte sich um alagai hora .
Dämonenknochen.
Qeva wandte sich wieder ihr zu, und Inevera registrierte das Aufblitzen einer gebogenen Klinge in ihrer Hand. In dem roten Licht sah das Messer aus, als sei es mit Blut befleckt.
Kreischend wich Inevera zurück, doch die Zelle war winzig, und bald spürte sie, wie sie mit dem Rücken gegen die Steinwand stieß. Die dama’ting hielt die Klinge dicht vor Ineveras Nase, und das Mädchen schielte bei dem Versuch, die Schneide zu sehen.
»Fürchtest du dich vor dem Messer?«, fragte die dama’ting .
»Ja, dama’ting «, platzte Inevera mit brechender Stimme heraus.
»Schließ die Augen«, befahl Qeva. Inevera schlotterte vor Angst, doch sie gehorchte; das Herz hämmert laut in ihrer Brust, während sie darauf wartete, dass sich die Klinge in ihr Fleisch bohrte.
Doch der Messerstich blieb aus. »Stelle dir eine Palme vor, Tochter einer Flechterin«, sagte Qeva. Inevera begriff nicht ganz, was die dama’ting von ihr wollte, aber sie nickte. Es fiel ihr leicht, dieses Bild heraufzubeschwören, denn sie kletterte jeden Tag auf Palmen, turnte mühelos die Stämme hinauf, um Palmwedel für die Flechtarbeit zu ernten.
»Fürchtet eine Palme den Wind?«, fragte die dama’ting .
»Nein, dama’ting «, erwiderte Inevera.
»Was macht sie?«
»Sie biegt sich, dama’ting .«
»Der Evejah lehrt uns, dass Angst und Schmerzen nichts weiter sind als Wind, Inevera, Manvahs Tochter. Lass diese Gefühle einfach an dir vorbeiwehen.«
»Ja, dama’ting «, antwortete Inevera.
»Wiederhole es dreimal«, befahl Qeva.
»Angst und Schmerzen sind nur Wind«, sagte Inevera, tief durchatmend. »Angst und Schmerzen sind nur Wind. Angst und Schmerzen sind nur Wind.«
»Öffne die Augen und knie nieder«, fuhr Qeva fort. Nachdem Inevera der Aufforderung gefolgt war, fügte sie hinzu: »Strecke deinen Arm aus.« Als Inevera ihren Arm hob, hatte sie das Gefühl, er gehöre gar nicht zu ihrem Körper, aber er zitterte nicht. Die Braut des Everam streifte Ineveras Ärmel hoch, schnitt in den Unterarm und zog eine hellrot blutende Linie.
Inevera sog scharf den Atem ein, aber weder zuckte sie zurück noch entfuhr ihr ein Schrei. Angst und Schmerzen sind nur Wind.
Die dama’ting hob ihren Schleier an und leckte die Klinge ab, um Ineveras Blut zu schmecken. Sie steckte das Messer in ein Futteral an ihrer Taille, dann streckte sie ihre kräftige Hand aus und quetschte die Schnittwunde, bis Blut auf eine Handvoll schwarzer, mit Siegeln versehener Würfel tropfte.
Inevera biss die Zähne zusammen. Angst und Schmerzen sind nur Wind.
Als das Blut auf die Würfel traf, begannen diese zu glühen, und Inevera begriff sich, dass auch diese aus alagai hora bestanden. Ihr Blut kam mit Dämonenknochen in Berührung. Der Gedanke entsetzte sie.
Die dama’ting trat einen Schritt zurück, stimmte einen leisen Sprechgesang an und schüttelte die Würfel, die mit jedem Moment, der verstrich, intensiver glühten.
»Everam, Spender von Licht und Leben, ich flehe dich an, lass deine geringe Dienerin wissen, was da kommen wird. Erzähle mir von Inevera, Tochter des Kasaad, aus der Kaji-Blutlinie von Damaj.«
Damit warf sie die Würfel vor Inevera auf den Boden. Ihr Licht explodierte in einem Blitz, der das Mädchen blinzeln ließ, dann schwächte es sich zu einem stumpfen Pulsieren ab, während die glühenden Symbole auf dem Boden die Schicksalsfäden bloßlegten, aus denen ihre Zukunft gewebt war.
Die dama’ting sagte nichts. Mit schmalen Augen starrte sie eine geraume Zeit lang die Symbole an. Inevera hätte nicht sagen können, wie lange die Betrachtung dauerte, aber sie schwankte, als ihre Beinmuskeln, die nicht daran gewöhnt waren, so lange so knien, allmählich unter ihr nachgaben.
Qeva sah sie an, als sie das Wanken bemerkte. »Setz dich auf deine Fersen und halt still!« Sie stand auf und bewegte sich in der engen Zelle im Kreis, um das Muster der Würfel aus jedem Blickwinkel zu begutachten. Langsam verblasste das Glühen, doch die dama’ting grübelte immer noch.
Trotz der Ermahnung,
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