Die Flammen von Lindisfarne
Schwestern und der Bischof ist alles andere als ehrwürdig“, gab das Mädchen zurück. „Als ich ihm vorgeführt wurde, um meine Schuld zu gestehen, ließ er mich ins Verlies bringen und fast nackt auf die Folter spannen. Dann wurde ich so lange mit Birkenreisern geschlagen, bis ich unseren Streich gestanden hatte. An seinen gierig flackernden Augen, dem Zucken seiner feisten Wangen und dem Sabbern aus seinem Mund erkannte ich, wie es seine Scheinheiligkeit genoss, meinen Körper unter den Streichen der Rute zucken zu sehen.“
„Was du getan hast, war eine Todsünde vor Gott“, erklärte der Abt mit strenger Miene.
„Was ich tat und wozu ich die anderen Mädchen hier anstiftete, war sicher eine Sünde in den Augen der Kirche“. sagte das Mädchen mit fester Stimme, „Aber diese Sünde war sicher nicht so schwer, dass man mich auf diese Weise so demütigen musste.“
Nach diesen Worten schlug sie die Kapuze zurück. Zwei meergrüne Augen funkelten der Abt von Lindisfarne kampflustig an. Das ebenmäßig geformte Gesicht war eine Nuance zu blass und die kleine Stupsnase über den leicht geschwungenen Lippen verstärkte den Ausdruck des unschuldigen Mädchengesichtes mit der Sinnlichkeit der erwachenden Frau. Langes, goldbraunes Haar fiel in leichten Wellen bis über die Schultern herab. Unter der weißen Kutte, die um die Hüften von einem groben Strick geschnürt war, zeichneten sich deutlich wohl-gerundete, weibliche Formen ab.
„Das ist Angela von York“, stellte der Hauptmann des Bischofs vor. „Der Schrecken der frommen Mütter vom Kloster der heiligen Scholastika. Hätte nicht ihr Vater, der Earl von York, dem Kloster große Geschenke gemacht, wäre sie schon längst aus den heiligen Mauern vertrieben worden.“
„Mein Vater hat mich da eingesperrt, um ein Gelübde seiner Jugendzeit zu erfüllen“, stieß das Mädchen hervor. „Mit vierzehn Jahren führte man mich in jenes kalte Gemäuer eisiger Zucht und harter Ordnung. Zwei Jahre habe ich das bisher ertragen...“
„Was die Väter bestimmen, darin haben sich die Kinder zu fügen“, sagte der Abt und versuchte, einen gütigen Unterton in seine Stimme zu legen. Doch innerlich war er in Aufruhr. Es kam oft vor, dass Väter aus irgendwelchen Gründen gelobten, eines ihrer Kinder ins Kloster zu geben, damit dort einer der Familie an jedem Tag für das Seelenheil der Eltern und Geschwister bete. Bei den Adligen schaffte man sich auf diese Art Söhne vom Hals, die voraussichtlich bei der Teilung des Erbes Bruderzwist hervorriefen oder Mädchen, für die man keine standesgemäße und für die eigene Sippe vorteilhafte Heirat arrangieren konnte.
Das schien bei Angela von York der Fall gewesen zu sein. Mit vierzehn Jahren war sie sehr spät unter die Obhut der frommen Schwestern gekommen. Sie hatte die Schönheiten des weltlichen Lebens schon zu sehr erfahren, als dass sie sich mit der Enthaltsamkeit und Kasteiung der Klostermauern abgefunden hätte. Nur der allmächtige Gott mochte wissen, wie weit der unter dem Stoff bebende Körper schon den natürlichen, aber in den Augen der Kirche sündigen, Gelüsten des Fleisches zugeneigt war.
Abt Bernhard musste an sein eigenes Schicksal denken. Auch ihn hatte die Familie ins Kloster abgeschoben. Er war damals noch ein Kind und gerade acht Jahre alt, weil das Handwerk des Vaters die vielen Esser bei Tisch nicht mehr ernähren konnte. Jahrelang hatte er in der Einsamkeit seiner Mönchszelle mit seinem Geschick gehadert und sich harten Bußexerzitien unterworfen bis er endlich sein Schicksal akzeptierte. Abt Bernhard dauerte das Schicksal des Mädchens, das er doch nicht ändern konnte.
„Also, dann erzähle, was zu York geschehen ist. Wenn es nicht zu sündhaft für die Ohren der Brüder ist oder ein Beichtgeheimnis“, bat der Abt. „Ich muss genau wissen, was du... was ihr angestellt habt. Denn nach dem Gebot des Bischofs von York sollt ihr so lange hier in Lindisfarne bleiben, bis das Schiff von der Handelsfahrt zurück kommt. Da habe ich die Pflicht gegenüber den Brüdern festzustellen, ob ihr verstockte Sünderinnen oder bußfertige Novizinnen seid, welche ein einziges Mal vom Pfade der Tugend abwichen.“
„Was wir getan haben, ist lustig, aber nicht sündhaft...oder vielleicht sündhaft, weil es lustig ist“, sagte Angela mit wohltönender Stimme, während nun auch die anderen Mädchen die Kapuzen zurückschoben und den frischen Meereswind durch ihre
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