Die Flammen von Lindisfarne
nehmen wollen. Zwar beobachten die Unsterblichen unsere Taten, doch wehren sie nicht dem Neiding die Tücke noch halten sie ihre Hand über die Ängstlichen, die ihrem Schutz zu sehr vertrauen!“
„Wer nur darauf vertraut, dass ihn die Götter schützen und bewahren und darüber vergisst, sich selbst zu helfen, ist ein Narr!“ rief Harald Drachenreiter. „Die Götter mögen günstige Winde senden oder einem rasenden Sturm Einhalt gebieten. Aber das Segel setzen, die Ruder schwingen oder das Steuer führen müssen wir Menschen schon selbst übernehmen. Dafür gaben sie uns unser Kraft, unseren Verstand und den Wagemut.“
Donnernder Beifall der rauen Männer zeigte an, dass der Steuermann ihnen aus der Seele geredet hatte.
„Nur wer stark ist, zu nehmen, was er begehrt oder zu halten, was sein ist, auf den sehen die Asen gnädig herab“, erklärte der Priester. „Der Nordmann vertraue auf seine Kraft und Thor wird ihm seine Stärke leihen. Den Stoß des Speeres und den Hieb der Axt lenkt ihm Tyr, der Kriegs-gewaltige . Aber Odin beseelt ihn mit seinem Geist, dass er so lange die Waffe schwingt, bis er die Feinde geworfen hat oder ihn die Walküre auf ihr milchweißes Ross zieht.“
„Ich muss nun vom Ende des Bonifatius reden. Denn der Tod dieses berühmten Kreuzpriesters ist ein Teil vom Schicksal der Wiltrudis!“ rief Wulfegar und es dauerte eine Weile, bis sich das beifällige Gemurmel der mettrinkenden Männer gelegt hatte. Dann aber mehrten sich die Stimmen, die begierig waren, zu hören, wie der Gottesfrevler geendet hatte.
„Erzähle!“ forderte ihn Haakon auf und begann geräuschvoll, eine der gebratenen Hirschkeulen ab zunagen. Auch die Gäste und die Männer in der Halle ließen sich das dargereichte Wildbret schmecken und griffen jetzt seltener mit den Händen in die Schüsseln mit der Breigrütze. Wulfegar fand nichts dabei, seine Erzählung fortzusetzen, während er nebenher mächtige Stücke gebratenen Wildschweines verzehrte und gelegentlich geräuschvoll erkennen ließ, dass ihm das Mahl wohl mundete.
„Das Alter hatte das Haar des Bonifatius weiß wie den Schnee der Frau Holda werden lassen, als es ihn drängte, noch einmal nach Friesenland zu ziehen um dort die Lehre vom Heliand zu predigen“, erzählte der Sachse, und spülte sich mit einem tüchtigen Schluck Met die Kehle. „In seiner Jugend war er bereits zweimal dort oben an der Küste des Meeres gewesen. Doch hatten seine salbungsvollen Reden bei den starrköpfigen Friesen den gleichen Erfolg, als habe er sie ihren Rindern auf den grünen Matten hinter den Meer-Deichen gehalten.“
„Hier haben wir auch genügend Rinder!“ rief Thorsten Elchnase, der über die größte Herde der Thing-Gemeinschaft verfügte. „Mögen die fremden Mönche ruhig kommen. Wenn sie die Kühe nebenher für mich melken, mögen sie ihnen auch was vom hellen Christ erzählen. Die Biester werden das über sich ergehen lassen.“
"Wer ein Volk bekehren will, der bekehre zuerst ihre Edlen“, sagte Wulfegar, Thorstens Einwand übergehend. „In den Tagen seiner Jugend war es Bonifatius fast geglückt, einen jener stolzen Moorfürsten von Friesenland zum Glauben an den Christengott zu überzeugen. Schon war der Friese bereit, sein Haupt mit dem heiligen Wasser netzen zu lassen und hoffte, dass danach das versprochene Himmelsbrot so reichlich vom Himmel fiel, dass er seine kargen Äcker nicht mehr bestellen musste, als er dem Bonifatius eine letzte Frage stellte.“
„Und wie lautete die?“ unterbrach Hrolf Silberhaar neugierig.
„Wo sind meine Väter, deren Väter und meine anderen Ahnen jetzt? In welchem Totenreich hausen sie? Das war es was der Friese Bonifatius fragte. Und als dieser arglos antwortete: Nun, dort wo alle Heiden hingehören, bei den Teufeln in der Hölle, da sprang der Friese auf, schlug dem frommen Mann das Taufwasser aus der Hand und sagte: So bin ich lieber mit meinen Vätern in der Hölle, als mit fremden Mönchen im Himmel! Sprach's und ward nicht mehr gesehen.“
Ohrenbetäubendes Lachen der erheiterten Wikinger durch-zitterte die Halle. Die Antwort des Friesen redete ihnen aus der Seele.
„Aber jetzt im Alter glaubte Bonifatius, die richtigen Worte zu finden, den Friesenstier in das Joch seines Christengottes zu spannen“, setzte Wulfegar seine Erzählung fort. „So sehr vertraute Bonifatius seinem Gott, dass er wenig wehrhaftes Volk zu seinem Schutz um sich scharte,
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