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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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wurde, für ihn völlig unverständlich war, spürte er doch, dass diese neue Lehre an den Grundfesten der ihm bekannten Weltanschauung rüttelte.
     
    „Als der Sonnenwagen hinab ins westliche Meer tauchte und die Schatten der Nacht über das Land fielen, ging Thiudbrand hinüber zum Lager der Christen und trat vor Bonifatius hin.“ berichtete der Sachse. „Neugierig folgte ihm viel Volk aus der Umgebung, deren begehrlicher Blick schon lange die Kleinodien betrachtete, welche die Männer aus dem Frankenland  mit sich führten. Erstaunt erhob sich der Oberpriester, als er von Thiudbrand hörte, dass dieser die Stärke des Christengottes erproben wolle. Nur ein Buch in der Hand, in dem die heiligen Erzählungen der Christen aufgeschrieben waren, ging Bonifatius zu Thiudbrand und den hinter ihm anrückenden Friesen hinüber. Rückwärts über die Schultern rufend verbot der Greis seinen Männern, zu den Waffen zu greifen und sich zum Kampf zu rüsten!“
     
    „Diese Worte ihres Gottes, sich nicht zu wehren! Und dieser Narr gedachte ihrer im Angesicht des Todes?“ stieß Hrolf Silberhaar hervor. „Welchen Wahnsinn dieser seltsame Glaube befiehlt?“
     
    „Vielleicht wollte der alte Priester dem Friesen in dem Buche Schriftstellen zeigen, in denen von der Kraft des Christengottes geredet wird“, mutmaßte Wulfegar. „Doch das war sicher vergebliche Mühe. Denn welcher Friese kann schon lesen oder gar schreiben. Als Bonifatius sah, dass Thiudbrand die Axt zum Schlag erhob, war es zu spät. Im Todesschreck versuchte der Alte, den Axt-hieb mit dem Buch abzuwehren. Doch der Schlag war kräftig geführt. Er drang durch Buch und Schädel und traf Bonifatius ins Leben.“
     
    „Aber seine Mannen?“ forschte der Odinspriester. „Sie werden doch nicht solche Narren gewesen sein...?“
     
    „Sie gehorchten dem Befehl ihres Herren wie dem Gebot ihres Gottes und ließen sich demütig wie Schafe abschlachten, als das blut- und beutegierige Friesenvolk über sie hereinbrach“, die Stimme Wulfegars sank fast zu einem Flüstern herab und die Wikinger in der Halle schüttelten verständnislos den Kopf.
     
    „Thiudbrand hatte an dieser Metzelei keinen Teil mehr. Er wandte sich um und ging fort, als er erkannte, dass der Christengott seine Diener genau so wenig zu schützen vermag wie Donar seinen heiligen Baum. Doch die Friesen, die hinter ihm geschritten waren, fielen über die Wehrlosen her und machten sie nieder, ohne dass sie die Waffe zur Verteidigung zogen. Nur einige der Priester entkamen, vom Grauen des Blutes und des Todes erfasst, in die nahen Sümpfe. Am nächsten Tage bargen sie den Leichnam des Bonifatius und seiner Gefährten und brachten ihn nach Süden, wo er jetzt in einem ihrer Tempel in einer steinernen Truhe liegt.“
     
    „Möge sich das Unsterbliche des Gottesfrevlers Bonifatius in Helheims Eisströmen wälzen“, knurrte Hrolf Silberhaar, „wobei gärendes Drachengift seine Schädelwunde zerfressen soll.“
     
    „Aber neue Mönche kamen nach Friesenland und mit ihnen die Krieger der Franken“, berichtete der Sachse weiter. „Und wo die stolzen Herrn der Deiche nicht vor dem Kreuz knieten, da knieten sie vor der Franziska, der gefürchteten Wurfaxt der Franken.“
     
    „Vor einer Axt kniet man nicht. Man fängt Hieb oder Wurf mit dem Schild auf“, murrte Thorleif Knochenbrecher. „Und dann gibt man mit der Waffe eine Antwort, die dem Axtschwinger alle Fragen seines Lebens auf einmal beantwortet.“
     
    „Neidinge wiesen den Schergen christlicher Gaugrafen den Weg zu Thiudbrands Hof. Immer noch weigerte sich der stolze Friese standhaft, einem so schwachen Gott zu dienen, der treulos seine Gefolgschaft im Stich lässt, wenn sie sich seinem Gebot getreu und seines Schutzes gewiss waffenlos dem grimmigen Feind entgegen stellen. Als den Franken verkündet wurde, dass Thiudbrand einst die Axt gegen den obersten Verkünder ihres Gottes geschwungen hatte, vergaßen sie die Lehre ihres Christus-Gottes über das Vergeben alter Schuld und die Versöhnung der Feindschaft. Der oberste Kreuzpriester von Beremia, den sie einen Bischof nennen, befahl selbst vom Altar seines Christentempels herab, den Tod des Bonifatius zu rächen.“
     
    „Warum hat dieser Bischof die Blutrache nicht selbst genommen?“ fragte Högni Schlangenblick und seine kalten Augen glitzerten.
     
    „Ein Bischof ist bei den Christen so etwas wie ein König, der seine Vasallen sendet“, erwiderte Wulfegar. „Angeführt von

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