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Die Flammende

Die Flammende

Titel: Die Flammende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Kristin; Diestelmeier Cashore
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begehrte Beute dabeizuhaben, wurde durch ihre Fähigkeit, sowohl die Entfernung als auch die Einstellung sich nähernder Fremder zu erspüren, beinahe wettgemacht.
    Außerhalb ihres Zuhauses konnte sich Fire den Luxus, auf den Gebrauch ihrer Macht zu verzichten, nicht erlauben. Normalerweise zogen die Gedanken anderer ihre Aufmerksamkeit nicht alle gleichermaßen auf sich, außer sie suchte nach ihnen. Ihre Fähigkeit, ein Bewusstsein zu erspüren, hing von seiner Stärke, seinen Absichten, seiner Vertrautheit, Nähe, Offenheit, seinem Wissen um ihre Anwesenheit und einer Vielzahl anderer Faktoren ab. Auf dieser Reise durfte sie nicht zulassen, dass irgendjemand ihrer Wachsamkeit entging; sie würde ununterbrochen die Umgebung absuchen und möglichst jedes Bewusstsein, das sie fand, festhalten, bis sie seine Absichten kannte. Sie würde ihre eigenen Gedanken besonders sorgfältig verstecken, damit kein Raubtiermonster sie erkannte. Sonst wären die Straßen zu gefährlich, für sie alle.
    Königin Roens Festung lag einen guten Tagesritt entfernt. Die Wachen gaben ein flottes Tempo vor und ritten um die Stadt herum, nah genug, um Hähne krähen zu hören, aber weit genug entfernt, dass sie niemand sah. Das Beste, was ein Reisender tun konnte, um ausgeraubt oder umgebracht zu werden, war, seine Reise publik zu machen.
    Unter den Bergen zogen sich Tunnel entlang, durch die sie schneller zu Roen gekommen wären, aber die wollten sie ebenfalls vermeiden. Zumindest hier im Norden waren die steilen Pfade über der Erde sicherer als die unbekannten in der Dunkelheit.
    Natürlich waren Fires Haare verhüllt und ihre Reitkleidung unscheinbar. Trotzdem hoffte sie, dass sie niemandem begegnen würden. Raubtiermonster neigten dazu, die Reize eines Gesichts und eines Körpers zu übersehen, wenn sie keine interessanten Haare erblickten, aber bei Menschen war das anders. Wenn Fire gesehen wurde, wurde sie gemustert. Wenn sie gemustert wurde, wurde sie erkannt, und die Blicke Fremder waren nie angenehm.
    Die oberirdische Route zu Königin Roens Festung war hoch gelegen und baumlos. Sie führte durch ein Gebirge namens Little Grays, das das Land Fires und ihrer Nachbarn vom Land der Königin trennte. »Little«, also klein, weil man sie zu Fuß überqueren konnte und weil sie weniger unwirtlich waren als die Great Grays, die im Westen und Süden die Grenze der Dells zum unbekannten Nachbarland bildeten.
    Kleine Weiler hockten auf den Felsvorsprüngen der Little Grays oder kauerten sich in die Täler neben Tunneleingängen – aus groben Steinen, kalt, farblos und karg. Fire hatte auf jeder Reise zu Roen diese Weiler in der Ferne betrachtet und über sie nachgedacht. Heute bemerkte sie, dass einer fehlte.
    Â»Früher war dort auf dem Felsvorsprung ein Dorf«, sagte sie mit ausgestrecktem Arm. Und dann begriff sie. Sie sah die zerstörten steinernen Fundamente der alten Gebäude aus dem Schnee ragen und am Fuß des Felsens, auf dem das Dorf gestanden hatte, einen Haufen aus Steinen, Holz und Trümmern. Auf dem Haufen kletterten Wolfsmonster herum und darüber kreisten Greifvogelmonster.
    Ein schlauer Trick der Plünderer, ein ganzes Dorf Stein für Stein von einem Berg zu werfen. Archer stieg mit zusammengebissenen Zähnen vom Pferd. »Fire. Sind dort in dem Haufen noch irgendwelche lebendigen menschlichen Gedanken?«
    Viele lebendige Gedanken, aber keine davon menschlich. Eine Menge Ratten – Monster und normale. Fire schüttelte den Kopf.
    Archer übernahm das Schießen, denn sie durften keine Pfeile verschwenden. Zunächst erschoss er die Greifvögel. Dann wickelte er einen Lumpen um einen Pfeil, zündete ihn an und schoss ihn in den Haufen aus Monstern und Verwesung. Einen Flammenpfeil nach dem anderen schoss er in den Haufen, bis dieser lichterloh brannte.
    Mit Hilfe der Flammen sandte man in den Dells die Körper der Toten dahin, wo ihre Seelen hingegangen waren, ins Nichts. Damit erkannte man an, dass alle Dinge ein Ende nahmen, außer der Welt.
    Die Gruppe ritt schnell weiter, denn der Gestank, den der Wind herbeitrug, war fürchterlich.
    Sie hatten bereits mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt, als sich ihnen ein beeindruckender Anblick bot: die Armee des Königs, die weit unter ihnen aus einer Öffnung am Fuß eines Felsens geprescht kam und über eine flache Steinebene

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