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Die Fliege Und Die Ewigkeit

Die Fliege Und Die Ewigkeit

Titel: Die Fliege Und Die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Küche saßen, sie und ich: ›Er wird eines Tages umfallen, Mama, denk an meine Worte, er wird umfallen ...‹ Ich glaube, das war in Padua, vielleicht auch in Madrid.«
    »Lag er im Krankenhaus?«
    »Ja, aber nur für kurze Zeit. Ich war ja gezwungen, einen Arzt zu holen, als ich ihn fand, und sie behielten ihn dann ein paar Wochen lang dort.«
    »Du hast ihn gefunden? Wo denn?«
    »Er lag unter einer der Weißtannen in unserem Garten. Er hat die ganze Nacht mit dem Gesicht auf der Erde dort gelegen und weigerte sich zu reden. Ich glaube, er wollte dort sterben, zumindest damals.«
    Ich nickte. Sie ließ den Pinsel sinken und schaute mich an.
    »Du scheinst gar nicht überrascht zu sein? Habe ich Recht? Dass dich nichts überrascht?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Bist du jetzt nicht langsam dran? Was ist in dem Frühling passiert?«
     
 
    Ich brauchte nie das Wort zu ergreifen, denn im gleichen Moment wurden wir ein Auto gewahr, das sich vom Ort her näherte. Ein großer schwarzer Amerikaner, der sich vorsichtig schaukelnd und hüpfend über die Sanddünen vorarbeitete.
    »Mein Gott!«, rief Marlene aus. »Das sind Ernestine und George. Kann ich mich noch verstecken?«
    Aber es war schon zu spät. Das Auto war bereits da, eine rotgekleidete Frau sprang heraus und winkte uns mit einem zusammengerollten Regenschirm zu.
    »Marlene, Darling!«
    Marlene wandte sich mir hastig zu, kam ganz nahe und flüsterte: »Verschwinde irgendwohin! Ich sage, dass du ein Handwerker bist, dann brauchst du sie nicht kennen zu lernen.«
    Ich legte meinen Kratzer aufs Fensterblech und knöpfte mein Hemd wieder zu. Verneigte mich leicht zur Rotgekleideten und machte mich davon.
     
 
    Nach einem Spaziergang von vielleicht einer halben Stunde am Strand entlang bog ich in die Sanddünen hinein ab. Ich fand eine sonnenerhitzte Grube, zog mich nackt aus und legte mich dort zur Ruhe. Eine Weile dachte ich über das nach, was sie von Tomas erzählt hatte und wie sie ihn im Garten gefunden hatte. Ich versuchte zu erraten, wer wohl Ernestine und George sein mochten, doch bald gewannen Sonne und der warme Sand die Oberhand, und ich schlief ein.
    Als ich wieder erwachte, war es nach drei Uhr, und ich spürte, wie meine Haut spannte. Ich lief zum Wasser hinunter und kühlte mich ab. Es war kälter, als ich mir vorgestellt hatte, acht, zehn Grad höchstens, und ich war gezwungen, noch einmal eine Weile in der Grube zu liegen, um wieder warm zu werden, bevor ich zurück zum Haus ging.
    Sonderbarerweise kam ich genau im richtigen Moment an. Ich konnte den schwarzen Wagen hinter einem Sandhügel verschwinden sehen, Marlene stand in der Tür des Wintergartens und winkte ihm nach.
    »Alte Bekannte?«, fragte ich, aber sie antwortete nicht. Ich begriff, dass sie es nicht sagen wollte, sie verzog nur leicht das Gesicht, und dann gingen wir ins Haus.
    Kurze Zeit später tranken wir ein Glas Cognac in der Bibliothek. Während wir dort saßen, äußerte wohl gut und gern zwanzig Minuten lang keiner von uns beiden auch nur ein Wort. Ich bekam den Eindruck, dass sie dabei war, etwas zu verdauen, was mit dem unerwarteten Besuch zu tun hatte, versuchte aber nicht herauszufinden, was es hätte sein können.
    »Wie weit bist du gekommen?«, fragte sie plötzlich. Sie warf einen Blick auf die Bücherregale.
    »Ich weiß es nicht. Die Hälfte habe ich, denke ich mir. Ich gehe ziemlich gewissenhaft vor.«
    Sie nickte. »Stört es dich, wenn ich hier sitzen bleibe? Denn du hast doch sicher vor, dich jetzt eine Weile den Büchern zu widmen?«
    Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.
    »Vielleicht kannst du ja während der Zeit weiterberichten. Wir müssen wohl zusehen, dass wir zum Ende kommen, bevor die Woche vorüber ist, nicht wahr?«
    Ich trank die letzten Tropfen aus und stand auf. Doch, ja. In diesem Punkt kann sie ganz beruhigt sein.
     
 
    Gonzanis »Das Leben der Heiligen« und eine kleine populärwissenschaftliche Schrift mit dem Titel »Die Psyche des Mörders – eine Studie über die Sinneskonstitution von 50 Gewaltverbrechern« von einem gewissen L. B. Kingsley, vermutlich einem Amerikaner, machen die Ausbeute des Tages aus. Eine an und für sich ziemlich zufällige Wahl, das ist mir durchaus bewusst, doch ich bin der Meinung, dass die Werke ein gutes Gegengewicht zueinander bilden.
    Vom Krebs auch heute nichts Neues. Nach dem Ausbruch vorgestern scheint er sich nunmehr stabilisiert zu haben. Ich habe einen neuen Verband angelegt. Er reagiert weiterhin

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