Die Fliege Und Die Ewigkeit
menschliche Individuum:
die unikate Verschmelzung von Allgemeinbegriffen, die an seinem Punkt geschieht.
Das dürfte kaum besonders kontrovers sein. Es ist auch gar nicht meine Absicht, kontrovers zu sein. Ich möchte stattdessen einige Implikationen untersuchen.
Alle Reden von Ich, Ego, Individualität und so weiter bekommen erst durch eine Analyse, welche Allgemeinbegriffe im spezifischen Individuum zusammentreffen, eine Bedeutung. Entweder wir nageln das Unikate mittels des ZeitRaum-Aspektes der Fliege fest, oder aber wir versuchen es von dem am wenigsten Individuellen von allem heraus zu erklären – dem Allgemeinbegriff, den Universalien, mit Platon – den Ideen. Daraus ergibt sich keine andere Möglichkeit, als die Individuen in Termen der Generalität zu erklären. Das ist ein Truismus. Unsere Sprache, genau wie all unser Denken, besteht von Anfang bis Ende aus Generalisierungsprozessen. Wenn wir versuchen, in die andere Richtung zu gehen, schlägt uns »Das-Ding-an-sich« an den Kopf.
Ein Allgemeinbegriff kann, wie alle wissen, unterschiedlichen Charakters sein, von einfach und undefinierbar bis hin zu zusammengesetzt und unerhört kompliziert. Wir können, mit Platon, sie uns in Hierarchien geordnet nach dem Grad der Verschachtelung, der Komplexität vorstellen. Je höher wir in so einer Hierarchie kommen, umso spezifischer, in seiner Richtung individueller, wird auch der jeweilige Allgemeinbegriff.
Davon ausgehend möchte ich vier Postulate aufstellen:
1.Jede Form individueller Existenz besteht darin, dass der Allgemeinbegriff in ein Individuum eingeprägt wird (universalia versus individualia). Das setzt sich in Zeit-Raum fort.
2.Es gibt einen mehr oder weniger konstanten Satz sehr komplexer Allgemeinbegriffe, so dass diese nur von dem individuellen Menschen geprägt werden können. Der Sinn unseres Lebens besteht darin, dieses zu tun.
3.Die sehr komplexen Allgemeinbegriffe besitzen eine Art latente Existenz in Zeit-Raum und erreichen den einzelnen Menschen in Form konkreter Handlungsmuster.
4.Je mehr wir es unterlassen, diese Ideen zu prägen, umso stärker verlieren sie ihren Inhalt, und unser eigenes Individuum wird zum Zeit-Raum-Aspekt hin getrieben.
In unserer Geschichte und unserer geistigen Genealogie sind wir zur Kenntnis der höchsten Ideen gekommen, indem sie von einzelnen Individuen inkarniert wurden. Beispiele dafür aus verschiedenen Darstellungsarten sind: Sprichwörter, Mythen, Sagen, Heldenerzählungen, Archetypen, stehende Redewendungen ...
Ein gemeinsamer Nenner für die komplexesten Allgemeinbegriffe und für ihre Darstellung ist das Involviertsein der Handlung des Menschen und seiner Entscheidung vor dem Handeln. Gerade indem wir uns in spezifischen Situationen für eine Handlung entscheiden, werden Begriffe wie folgende von uns inkarniert bzw. geprägt: Liebe überwindet alle Hürden, Einsamkeit macht stark, des Gedankens kranke Blässe, der Zweck heiligt die Mittel und so weiter.
Unter den komplexen Allgemeinbegriffen gibt es nichts, was absolut weder an Zeit noch an Raum gebunden ist. Sie sind in jedem Land gleich, in jedem Zeitalter, auch wenn sie natürlich in unterschiedlicher Gestalt, in verschiedenen Gewändern auftreten – ebenso wie die Gestalten der Mythen, Sagen und Erzählungen von einer Zeit zur anderen sich verändern, von Kultur zu Kultur, von Volk zu Volk. Doch ein Gott ist ein Gott ist ein Gott. Und eine Rose ist eine Rose. Hier und jetzt. Dort und damals. Auch wenn das natürlich Truismen sind, da die Selbstverständlichkeit an sich das erste Fundament jeder Wahrheit sein muss.
Lassen Sie mich nunmehr einige paradoxe Folgen untersuchen, nämlich:
Der Versuch, die komplexesten Allgemeinbegriffe zu prägen (inkarnieren), macht eine wichtige Triebkraft dafür aus, dass der Mensch sich als Individuum in anderen Termen als den Zeit-Raum-bezogenen konstituieren will. Nun bedeutet ja jede Form der Prägung eines Allgemeinbegriffs einen Schritt fort vom Individuellen, fort vom »Das-Ding-an-sich« (= Das-Ding-für-mich) – , insbesondere, wenn es die komplexesten Ideen überhaupt betrifft, die beispielsweise einen langen Zeitaspekt, vielleicht eine ganze Lebensspanne umfassen. Im Extremfall kann der individuelle Aspekt verloren gehen – wie bei den Protagonisten der Heiligenerzählungen, deren Individuum und individuelles Handeln ganz und gar dem Begriff untergeordnet sind, unter den sie fallen: die Idee darzustellen, sie zu inkarnieren, die
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