Die Fliege Und Die Ewigkeit
die kräftige Oberlippe.
Als hätte ihn seine Mama in seiner Kindheit zu lange gekocht. Total verwaschen! Mein Gott, das soll Pastor Wilmer sein? Maertens empfindet ein leichtes Schwindelgefühl und schließt die Augen ein paar Mal hintereinander. Er legt das Eisen ab, es scheppert leise, und der Kerl drinnen zuckt zusammen. Er hat sich gerade Wasser ins Waschbecken einlaufen lassen wollen, aber jetzt dreht er die Hähne zu und starrt erschrocken geradewegs ins Dunkel.
Maertens wirft sich zu Boden. Er liegt dicht an die Wand gedrückt, schaut an seinem Körper hinunter auf die lehmigen Schuhe und hält den Atem an. Fleht Gott an, dass Pastor Wilmer ihn nicht entdecken möge ... betet übrigens zu mehreren Göttern, einer ganzen Menge höherer Wesen.
Vielleicht wird er ja auch erhört. Pastor Wilmers wässriges Blau bekommt ihn jedenfalls nicht zu Gesicht, wahrscheinlich sieht er sowieso nichts anderes als sein eigenes Spiegelbild, da er nicht einmal so schlau war, das Licht zu löschen.
Dann kann Maertens hören, dass er wieder Wasser laufen lässt. Er schluckt, schließt die Augen und schickt ein Dankgebet an die Unmengen höherer Wesen. Begibt sich vorsichtig zur Leiter zurück. Der Schwindel ist jetzt greifbar, die Kopfschmerzen liegen hinter den Schläfen auf der Lauer. Er greift zum Eisen, doch als er einige Stufen hinuntergeklettert ist, überlegt er, dass er es lieber loswerden sollte.
Er beäugt die Rasenfläche. Ein kleines Armierungseisen, das auf einen weichen Rasenboden fällt, sollte keine Geräusche verursachen.
Er wirft mit der Rückhand; ein linkischer Wurf mit der linken Hand, doch als er das Ergebnis hört, verliert er fast den Halt auf der Leiter. Zweifellos hat er etwas getroffen, und sobald er die Balance wiedergefunden hat, wird ihm klar, dass es der Fahrradstand gewesen sein muss. Zuerst wohl das Wellblechdach und dann wahrscheinlich der Ständer selbst, ein paar Räder und anderes ... Innerhalb weniger Sekunden wird es hell im Hinterhof. Im Haus werden vereinzelt Lampen eingeschaltet, aus einigen Fenstern sind Stimmen zu hören, aber er drückt sich nur wieder fest an die Wand. Es interessiert ihn nicht, was sie sagen. Er schließt die Augen, macht sich unsichtbar und sehnt sich nach den Tropfen, die er in der letzten Bar hat stehen lassen.
Bei allen verdammten Konjunktionen, denkt er.
Eine Viertelstunde später ist er auf der anderen Seite des Flusses in Sicherheit, aber sein Herz schlägt immer noch angestrengt und wild. Es pumpt mit frenetischer Beharrlichkeit Blut zum Kopfschmerzherd hinauf, und irgendwo, irgendwo ganz in der Nähe seiner Seele befindet sich eine Stimme, die er bald nicht mehr zurückhalten kann. Sie klingt trocken und nüchtern wie eine alte Zitrone oder eine resignierte Muttersprachenlehrerin, und sie ruft nach Antwort und Rechenschaft.
Warte, denkt er nur. Warte wenigstens, bis ich zu Hause bin.
Mein Leben ist schwer wie ein Stein, aber ich bewege mich immer noch.
»Bernard, ich habe es mir anders überlegt. Du brauchst mich morgen nicht abzuholen.«
»Weißt du, wie spät es ist?«
»Ich bin krank und muss einiges erledigen, deshalb ...«
»Warum zum Teufel rufst du an und weckst mich um zwei Uhr nachts? Hast du den Verstand verloren, Maertens? Geht es darum?«
»Nein, ich ...«
»Sag Bescheid, wenn es so ist, mir ist nichts Menschliches fremd. Das könnte vielleicht eine neue Dimension unserer Freundschaft werden ... wenn du tatsächlich verrückt geworden bist!«
Maertens hat ihn gerade erst geweckt, und schon ist er in Fahrt. Das ist verrückt, denkt er. Er selbst braucht Stunden, um sich aus den Fängen des Schlafs zu befreien.
»Nein, mein Lieber«, sagt er. »Keine Sorge. Ich habe nicht gemerkt, dass es so spät ist ... Ich habe einiges zu erledigen gehabt. Du brauchst mich morgen nicht abzuholen, das wollte ich dir nur sagen.«
»Wo hast du dich rumgetrieben?«
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich werde mich für morgen krankmelden, dann ist es wieder in Ordnung.«
»Nicht nötig.«
Einen Moment Schweigen von beiden Seiten.
»Was meinst du damit?«
»Na, was ich sage, natürlich. Du brauchst nicht anzurufen und so zu tun, als wärst du krank ... Ich regle das schon. Sie liegt neben mir. Eine fantastische Frau, Maertens, wenn man sich vorstellt, dass du das in all den Jahren nicht bemerkt hast. Aber wenn du gestattest, dann warte ich damit, bis sie morgen früh aufwacht.«
»Ja ...«
Wieder ein
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