Die Flirtfalle
durchzudrehen.
Leos Turducken war das leckerste Gericht vom Vortag, das ich jemals gegessen hatte.
Kapitel 26
Freitag Vormittag.
E inen Tag vor ihrer Hochzeit war Mutti so aufgedreht wie noch nie. Alle paar Minuten rief sie mich an, um mir irgendwelche völlig belanglosen Fragen zu stellen. Ob ich schon wüsste, welche Junggesellen ich beim Festessen in ‚Kornelias Waldhütte’ gerne um mich hätte. Ob ich gerne Philipp an meiner rechten und Leo an meiner linken Seite hätte oder doch lieber Leo an meiner rechten und Philipp an meiner linken, oder ob Philipp mir gegenüber sitzen sollte, während Leo rechts von Philipp sitzt, oder gar Leo mir gegenüber und so weiter. Ich hatte schnell den Überblick verloren und sagte deshalb zu allen vorgeschlagenen Sitzplatz-Kombinationen „Ja, das wäre mir ganz Recht!“, was Mutti jedes Mal so durcheinander brachte, dass sie wieder von vorne anfing. Es war nicht auszuhalten, also unterbrach ich sie irgendwann, mit der Anmerkung, dass mir eigentlich nur wichtig sei, möglichst weit weg von Lisa zu sitzen, denn wir hätten uns zerstritten. Diese kleine Notlüge musste leider sein. Ich durfte mich auf keinen Fall in Lisas und Marks Nähe aufhalten, oder ihnen die Möglichkeit geben, Blickkontakt mit mir aufzubauen. Mutti und ich einigten uns schließlich darauf, dass der liebeskranke Leo rechts, während der Frauenhasser und Exhibitionist Philipp links von mir sitzen sollte.
Mensch, Mutti, du hast vielleicht Sorgen, dachte ich, während ich auflegte und meine Gedanken wieder auf die richtigen Probleme des Lebens richtete. Ich hatte Magenschmerzen und fühlte mich so, als hätte ich eine große Wassermelone verschluckt und das , obwohl ich heute noch nichts außer ein paar Sonnenblumenkernen gegessen hatte, die ich von einem Brötchen abschaben konnte. Ich fühlte mich krank, aber ich war mir sicher, sobald ich Mark das Aus erklärt habe, würde es mir besser gehen. Ich musste es endlich hinter mich bringen, nahm also den Hörer und wählte die Nummer, die ich schon im Schlaf aufsagen konnte. Mark meldete sich mit „Melanie, endlich! Schatz wie geht es dir?“, was ich mit einem trockenen „gut“ entgegnete. Ich wollte es kurz und schmerzlos machen, also las ich zügig meine Abschiedsrede vor. Mark hörte sich alles schweigend an. „Es ist wirklich vorbei!“, lautete mein Abschiedssatz, bevor ich auflegte. Ich versuchte, nicht in Tränen auszubrechen, aber es gelang mir nicht. Es war alles ein Fehler gewesen. Anstatt mich auf ein Techtelmechtel mit Mark einzulassen, hätte ich mich intensiver mit der Brahmacharya-Lehre beschäftigen sollen. Bislang war es mir noch nicht gelungen, das innere Licht und die Tiefen der Meditation zu erfahren, wodurch mein Verlangen nach körperlicher Liebe (das mich auf die Nase fallen und verlieben ließ) für immer hätte verschwinden können, aber das könnte sich noch ändern. Von nun an würde ich meine Energie nicht mehr in Gedanken an Mark verschwenden, mich von der menschlichen Natur befreien und meine sexuelle Kraft durch Enthaltsamkeit für meine geistige Entwicklung nutzbar machen.
Diese verdammte Leere in mir!
Es war mir danach, meine sämtlichen Yogabücher aus dem Fenster zu werfen, Mark anzurufen und mich bei ihm zu entschuldigen. Ich hatte schon den Hörer in der Hand, als ich mich Gott sei Dank wieder sammeln konnte. ‚Auch das geht vorbei’, dachte ich und legte wieder auf. Der Gedanke, dass ich Mark das Aus erklärt hatte, verfolgte mich auf Schritt und Tritt wie ein unsichtbares Monster, das mich zerfleischen oder zumindest vergiften wollte. Ich machte mir einen Kaffee, doch er schmeckte nach Gift und ich spuckte ihn wieder aus. Dann trank ich Orangensaft, aber der schmeckte nach einem Mischgetränk mit Zyankali. Ich wollte das Mittagsessen machen, aber ich schnitt mir zuerst in den Daumen und dann auch noch in den Zeigefinger, also ließ ich es sein. Ich ging einkaufen. Es war mir nicht danach, aber ich musste es hinter mich bringen. Im Secondhandladen fand ich ein Luxuskleid aus dem Hause Gucci. Es war das schönste Kleidungsstück in einer schwarz/rosa Farbkombination, das ich jemals gesehen hatte. Nachdem ich die neunzehn Euro fünfzig bezahlt hatte, konnte ich es mir nicht verkneifen, die Verkäuferin zu fragen, ob das Kleid tatsächlich ein Original Gucci-Kleid sei. Sie bestätigte es, doch ich wollte wissen, wo der Haken sei. „Man kann unmöglich ein Gucci-Kleid, das wie neu aussieht, für nur
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