Die Flirtfalle
Küche aufzuräumen, den Küchenboden aufzuwischen, den Kühlschrank aufzufüllen, etwas Schönes für Justin und mich zu kochen. Wenn ich Mutti nicht hätte! Ich drehte mich um und schlief neben Justin weiter.
Als ich eine Stunde später wieder aufwachte , war er spurlos verschwunden. In der Küche lag ein Zettel für mich:
‚ Liebes,
Justin ist bei mir. Wir werden einen langen Spaziergang machen und die Enten füttern. Mach dir einen warmen Kakao, geh in die Badewanne oder tu einfach beides. Justin wird bei mir übernachten. Ich habe eine Tasche für ihn gepackt, Unterwäsche, Pyjama und Teddybär mitgenommen. Ruf mich an, wenn du ausgeschlafen hast. Die Spiegeleier sind im Backofen. Hast du nicht erwähnt, du hättest deinen Computer zum Sperrmüll getan? Mutti.’
Ich folgte Muttis Rat und machte mir einen Kakao, bevor ich mich wieder an den Computer setzte und mit der Geschichte fortfuhr:
‚Mark, ich habe dir Zeit gelassen, gehofft und gebetet, dass du mir irgendwann die Wahrheit sagst, die Wahrheit, die ich schon längst kannte. Wie konntest du nur das heilige ‚Ich liebe dich’ so oft aussprechen? Liebe? Männer wie du wissen gar nicht, was Liebe ist. Lass uns bitte das Spiel beenden, bevor es noch schlimmer wird. Ich gebe zu, es gab Augenblicke, in denen ich die Illusion hatte, glücklich mit dir zu sein, doch nun ist es vorbei! Ruf mich nicht an. Schreib mir nicht! Schick mir keine Blumen! Verfasse keine Gedichte, sprich nicht auf meinen Anrufbeantworter, denk nicht an mich, vergiss die Zeit mit mir, unsere Spaziergänge, die Küsse. Lösche mich einfach aus deinem Gedächtnis!’
Ich las mir alles noch einmal durch und stellte empört fest, dass es mit dem logischen Aufbau der Geschichte gewaltig haperte. Ich hatte Mark in einer dramatischen Rede das Aus erklärt, obwohl wir uns kaum kannten und erst ein paar Sätze und neugierige Blicke ausgetauscht hatten.
Meine Computerkenntnisse reichten zum Glück aus, um das eben Geschriebene aus der Geschichte herauszuschneiden und es als eigenständiges Dokument auszudrucken. Somit hatte ich wenigstens einen schönen Entwurf für meine Abschiedsrede an Mark.
Das Telefon klingelte.
„Melanie, Folgendes, Annas Mann hat gerade angerufen, er habe ein Auto gekauft und will morgen schon hier antanzen, um Anna und Karin abzuholen, das heißt, wir müssen eine Abschiedsfete für Anna organisieren, sie wird bei Leo stattfinden. Leo sagte, er wäre ohnehin dabei gewesen, etwas Besonderes zu kochen, da er Urlaub und Langeweile hatte. Er freut sich riesig, dass wir kommen, nun sag schon, du kommst doch mit, oder?“
Lisa hatte diesen Absatz geschafft, ohne zwischendurch Luft zu holen, was sicherlich erklärte, warum ich plötzlich das Gefühl hatte, zu ersticken.
„Gut, ich bin dabei!“, sagte ich erleichtert, einen Vorwand gefunden zu haben, das Abschiedsgespräch mit Mark verschieben zu können.
„Prima! Wir treffen uns gleich um sieben Uhr bei Leo. Melanie, das wird bestimmt ein Superabend werden! Also bis gleich!“
Ich brachte den Entwurf für meine Abschiedsrede in die abschließbare Schublade meines Büros, in der ich nur wichtige Unterlagen, wie beispielsweise mein Testament oder die Serviette mit Marks Handynummer aufbewahrte. Danach machte ich mich auf den Weg.
Leos Wohnung lag sehr ungünstig in einer Einbahnstraße, in die ich als Geisterfahrerin einbiegen musste. Leider versperrte mir ein älterer Herr mit Spazierstock den Weg und wies mich mit „Zurück! Zurück! Das dürfen Sie nicht!“ auf meinen Irrtum hin. Ich fuhr rückwärts aus der Einbahnstraße und danach noch lange um die Häuser herum, bis ich endlich die richtige Einfahrt für Leos Straße fand.
In Leos Wohnung wurde ich von Lisa empfangen, die beinahe hysterisch wirkte.
„ Melanie, endlich! Ich freue mich so, dass du da bist! Komm mit!“ Sie zerrte mich in die Küche. „Stell dir vor: Leo hat einen Turducken gekocht!“ Lisa deutete auf einen riesigen, knusprig gebackenen und dampfenden Vogel auf dem Küchentisch. „Ein Turducken ist ein Truthahn gefüllt mit Ente, die wiederum mit einem Hähnchen gefüllt ist. Kannst du dir vorstellen, dass Leo dieses Gericht 12 Stunden lang bei 100 Grad backen musste? Wahnsinn! Ich habe mir das Rezept geben lassen, denn Marta wird sich bestimmt freuen, einen Turducken für uns zu kochen. Komm, hilf mir bitte, den Tisch zu decken. Leo und Anna haben gerade Schluss gemacht, sie wollen aber Freunde bleiben und haben sich für ein
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