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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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über ihrer errechneten Prognose lag.
    Dr. Albers hielt Minnies Hand. „Kein letzter Tango“, sagte der Psychologe.
    Minnie schluckte. Seit 22 Stunden war sie innerlich wie gelähmt. Ein gigantischer Aufschrei hatte sie überwältigt und die Ärzte in Marius’ Zimmer gerufen…
    Andreas musste die alte Dame nicht daran erinnern, warum sie in Haus Holle lebte. Minnie hatte es bloß vergessen. Einen Moment lang. Einen wunderschönen Moment lang.
    Die alte Dame erinnerte sich an Annettes Worte: „ Zehn Minuten ein leckeres Essen genießen minus eine Minute lang kotzen – das macht neun Minuten Genuss .“
    Sie fröstelte, denn die Temperatur war gefallen. „Das Thermometer sinkt unter Null“, sagte Mutter Merkel. „Gehen wir schnell hinein, nicht, dass wir uns noch den Tod holen!“ Der Leichenwagen bog um die Ecke – und Minnie flüchtete zurück ins Warme.
    Die Spur verweht, aber die Liebe bleibt…
    In Haus Holle brannte Marius’ Kerze noch immer, und im Esszimmer roch es nach frischem, heißen Tee.
    Nadine, Fee, Jesse und sein Bruder Jeremy saßen am Tisch und kasperten mit zwei I-Phones herum.
    „Guck mal, mit dieser Software kann man Dich im Comic-Style fotografieren!“, prahlte Jesse und lichtete Nadine ab. Der Blitz fuhr grell durchs Esszimmer. „Witzig“, schrie Fee, „Mama sieht aus, als wäre sie gezeichnet worden!“
    „Oder diese App, die ist echt cool“, rief Jesses Bruder Jeremy. Auf dem Display seines Smarthphones war eine schwarz-weiße Katze namens Talking Tom zu sehen. „Tom kann man alles vorquatschen, was man will und er plappert es mit seiner Quäkstimme nach… Probier’s mal, Fee!“
    „Hallo, ich heiße Fee!“, sagte das kleine Mädchen zaghaft.
    „Hallo, ich heiße Fee“, äffte sie eine um ein paar Frequenzen erhöhte, alberne Dudel-Stimme nach.
    „He-he“, sagte Fee.
    „He-he“, imitierte die Katze sie.
    „Ich hab dich lieb, Jesse“, sagte Fee.
    „Ich hab dich lieb, Jesse“, schnurrte die Katze.
    „Oh, da hat jemand einen Narren an Dir gefressen, Jesse“, meinte Nadine. Ihr Blick richtete sich auf den Postboten, der die Gäste von Haus Holle täglich mit Briefen und Paketen versorgte, und jedes Mal so schüchtern war, als scheue er sich, eine heilige Stätte mit dem Klang seiner Stimme zu verunreinigen.
    „Das ist für Sie!“
    Nadine quittierte den Erhalt ihres Pakets, Fee durfte das Band durchschneiden. Neugierig zerriss das kleine Mädchen die Pappe und zog eine Puppe hervor.
    „Von Oma Oberammergau !“, rief sie jauchzend.
    „Oma Oberammergau?“, fragte Jesse.
    „Ja, das ist die Großmutter meines ältesten Sohnes Luca“, offenbarte Nadine. „Wir haben nicht das beste Verhältnis. Oma Oberammergau zwang mich, einen Entzug zu machen – sonst hätte ich Luca nicht mehr treffen dürfen. Doch als ich den Heroinentzug hinter mir hatte, brach mein Krebs aus. Ohne die Therapie wäre mir das nicht passiert. Aber so war die Zellteilung vermindert worden und ich bin empfänglich für die Krankheit geworden.“
    „Hast Du Dich bestrahlen lassen?“, fragte der junge Förster  neugierig.
    „Nein“, sagte Nadine. „Vielleicht hätte ich eine Chemotherapie gegen den Brustkrebs machen sollen, statt ihn einfach rausschneiden zu lassen. Jetzt bin ich oben frei vom Krebs, aber unten ist alles voll. Bis ins Bein ist der Tumor gewachsen. Und mein ganzer Bauch bläht auf. Wenn ich pupse“, sie legte eine Hand auf die Magengegend, „stinkt es nicht mehr, weil drinnen alles nur mit Luft gefüllt ist. Es klingt total hohl, wenn ich auf den Bauch poche.“
    „Stimmt, Mama, klingt total hohl“, meinte Fee. Das kleine Mädchen drückte ihre neue Puppe an sich.
    „Komm, wir machen mal ein Foto!“ Jesse nahm Fee mit seinem I-Phone ins Visier.
    „Aber nicht bei Facebook hochladen! Und nicht in Deinen Blog stellen! Sonst rufen die Journalisten wieder an“, rief Nadine lachend.
    „Ruhe kannst Du noch genug haben“, entgegnete Jesse. „Schau’ mal, Nadine: Auf meinem Facebook-Profil laufen täglich Reaktionen aus der ganzen Welt ein. Alle möchten wissen, wie dieses Haus von innen aussieht…“
    „Schon mal daran gedacht, dass das auch Sensationsgier sein könnte?“, fragte die junge Mutter misstrauisch.
    „Klar“, antwortete Jesse. „Aber so kann ich mit allen Freunden in Kontakt bleiben, ohne, dass sie anreisen müssen, um mich hier zu besuchen. Sogar ein Freund, der in Nepal ist, kann mit mir chatten.“
    „Zeige dem auch mein Foto“, rief Fee. „Und

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