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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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Geschichte von Otto G. Klatsch’s Krankheit und Genesung gekauft“, ließ sie ihn wissen. „Es dürfen keine Aufnahmen im Internet veröffentlicht werden. Außerdem wollen wir uns die Presse vom Hals halten. Wenn die Journalisten merken, dass Herr Klatsch sich hier aufhält und sein Comeback mit einer Doku plant, werden wir keine ruhige Sekunde haben. Klatsch wird ohnehin nur kurz hier sein: Unser Team wartet darauf, dass er wieder zu Kräften kommt und den Flug nach Amerika antreten kann, wo er von den besten Ärzten der Welt geheilt werden wird.“
    Der junge Mann grinste. „Was interessiert mich Otto G. Klatsch? Wenn es Rihanna wäre… dann vielleicht. Aber ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Otto G. Klatsch dieselben Buchstaben in seinem Namen hat wie Gottschalk? Was für ein Zufall! Toller Typ, dieser Gottschalk – den habe ich früher gern gesehen…“
    Bei diesen Worten entspannte sich die Pressedame und eilte nach oben. In 8 ließ sich der Showmaster derweil sein Haupthaar färben – dunkelschwarz, wie zu seinen besten Zeiten. Gleichzeitig arbeitete er an seinem Terminplan: „Sobald der Friseur fertig ist und meine neuen Hauskleider geliefert worden sind, möchte ich ein Kamerainterview geben, damit wir die Szenen meines Einzugs abgedreht haben. Anschließend soll Anja einen Nachtflug nach Los Angeles finden, am besten für kommenden Montag. Außerdem möchte ich, dass alle Tiere aus Haus Holle entfernt werden. Ich habe eine Katze gesehen – und einen Mops. Ihr wisst, dass ich beides hasse. Zur Not soll mein Anwalt sich darum kümmern. Heute Nachmittag werde ich die Post durchgehen, und das Drehbuch für eine neue Show lesen. Anschließend soll der Koch des Hauses zu mir kommen. Gegen 18 Uhr trifft meine Frau Trixie ein, gemeinsam mit meinen Töchtern. Bitte sorgt dafür, dass die Limousine meine Familie pünktlich am Flughafen abholt. Heute Abend will ich ins Steigenberger . Dort findet eine Pressekonferenz statt, in der das Fernsehprogramm für die zweite Jahreshälfte vorgestellt wird.“
    Er klatschte zweimal in die Hände.
    „Sonst noch etwas, Herr Klatsch?“, fragte eine Assistentin.
    „Ja! Besorgt mir zwei Päckchen Dunhill !“
    Otto G. Klatsch hatte sein Leben im Griff. Das wusste jeder.
     
    In Zimmer 2 herrschte Totenstille.
    Kai Bergmann erst hatte vor einer Woche erfahren, dass der Knoten hinter seinem Ohr Krebs war. Der junge Polizist war aus allen Wolken gefallen. Gerade erst war er mit seiner Frau Karoline vom Dorf in die Großstadt gezogen, hatte eine kleine Mietwohnung mit Garten gefunden und das neue Heim eingerichtet. Mit der fatalen Krankheitsdiagnose brachen seine Zukunftspläne in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
    Dennoch wirkte Bergmann gefasst.
    Er lächelte dem Schicksal ins Gesicht, tröstete seine Eltern und Geschwister, nahm Anrufe besorgter Freunde und Kollegen entgegen und wirkte dabei unerschütterlich. Bergmann kannte die Realität, und er wusste, was Elend war. In seinem Beruf hatte er bereits viele Selbstmörder auf Bahngleisen gesehen, Jugendliche nach Discobesuchen mit Kreissägen aus kaputten Blechbergen herausgeschnitten und die Hand Sterbender gehalten, die vom Ehepartner unter Alkoholeinfluss erstochen oder erschossen worden waren. Nur für seine verstummte Ehefrau fehlten ihm die richtigen Worte. Das Wort Tod klammerten beide aus.
    „Nicht vor Leon, und nicht jetzt“, sagte Karoline seit einer Woche, wann immer jene Intimität und Ruhe entstand, wie sie nur Partner kennen, die einen längst überfälligen Gedankenaustausch durch Reden über Alltagsbanalitäten übertünchten.
    Genau wie Otto G. Klatsch in Zimmer 8 machte auch Kai Bergmann aus Zimmer 2 gute Miene zu einem bösen Spiel – nur auf eine andere Weise.
     
    Anders als zu Otto G. Klatsch kam Minnies Coiffeur nicht zu ihr aufs Zimmer. Die alte Dame verließ das Hospiz und schlurfte mit einem Rollator ins Amüsierviertel, wo man sie um 11 Uhr im Salon Monika erwartete.
    Zwar trug ihre Friseurin ein Piercing in der Nase, aber sie war patent im Umgang mit Shampoo, Schere und Fön. „Die letzte Dauerwelle ist wohl schon etwas länger her, was?“, fragte Monika grinsend und fuhr mit lackierten Fingernägeln durch Minnies schütteres, weißes Haar. „Das kriegen wir im Nu in den Griff.“
    Während sie die Locken eindrehte, breitete Monika ihr ganzes Leben vor Minnie aus und erzählte, dass sie jeden Kunden brauchte, um das Überleben ihres kleinen Salons zu sichern. „Ständig muss man sich

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