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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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großen Wunsch. Hast Du schon mal etwas von Rückführungen gehört?“
    Andreas kniff die Augen zusammen. „Geht es dabei um Wiedergeburten?“
    „Genau! Mike hat mir davon erzählt. Unweit von Salzburg lebt eine berühmte Rückführerin. Ihr Name ist Ursula Demarmels. Ich möchte eine Rückführung machen.“
    „Du willst bis nach Salzburg reisen?“, fragte Andreas. „Das werden wir nicht hinbekommen…“
    „Nein, Frau Demarmels wird hierher kommen. Mike hat das für mich arrangiert. Sie trifft am 14. Dezember ein. Können wir das im Grünen Saal machen?“
    Der Psychologe zögerte keine Sekunde. „Natürlich. Wie kann ich Dich unterstützen?“
    „Wir brauchen nur eine bequeme Liege. Und den Saal für circa drei Stunden.“
    „Ich trage das Datum ein. Hiermit ist der Saal reserviert. Es ist wichtig, dass Du das machst.“
    „Warum?“, wollte Minnie wissen.
    „Ganz einfach! In diesem Haus geschieht oft eine Metamorphose mit den Menschen. Insofern ist die letzte Phase im Leben eine ganz wichtige, um noch etwas nachholen zu können“, erklärte Andreas. „Manche Gäste möchten noch einmal schwimmen. Erst kürzlich habe ich das für einen an Aids erkrankten, fast vollständig blinden Mann organisiert. Wir haben eine ganze Schwimmbahn für ihn gemietet. Andere Gäste möchten nochmal an die Nordsee – oder eine Ballonfahrt machen. Auch diese Wünsche erfüllen wir. Doch für mich persönlich ist in der letzten Lebensphase noch etwas anderes wichtig. Meine Hauptarbeit besteht darin, das Vertrauen meiner Gäste zu gewinnen.“
    Minnie schob den Gedanken beiseite. „Glaubst Du, dass ich am 14. Dezember, wenn die Rückführerin kommt, noch lebe?“, fragte die alte Dame. „Oder anders gefragt: Wie viel Zeit habe ich wohl noch?“
    Der Psychologe sah sie ernst an. „Du willst meine Meinung hören? Dann baue ich Dir eine ehrliche Brücke. Meine Antwort fällt abstrakt aus: Ich glaube, dass Du nicht mehr sehr lange lebst – aber dass Deine Verabredung mit Frau Demarmels eventuell noch stattfinden kann.“
    „Ich möchte aber Sicherheit!“ Minnie insistierte auf ihrem Plan.
    „Glaubst Du selbst, dass der 14. Dezember realistisch ist?“, fragte Andreas.
    Minnie blickte in ihren Spiegel. Sie sah eine sehr weiße Frau. „Meine Gesichtsfarbe gefällt mir nicht.“
    „Du kennst den Grund. Du leidest unter Blutarmut…“
    „Deshalb möchte ich auch nochmal ins Krankenhaus. Ich brauche eine neue Blutwäsche.“
    Erstaunt blickte Andreas auf. „Tatsächlich?“
    „Ja, unbedingt. Nach der Blutwäsche, die mir Kraft gibt, will ich noch zwei Dinge erledigen. Das eine ist die Rückführung, das andere… etwas anderes.“
    „Dann rufe ich im Krankenhaus an.“ Andreas’ Blick drückte vollstes Verständnis aus. „Aber ich möchte Dich noch auf etwas hinweisen, Minnie. Je mehr Behandlungen Du bekommst, desto größer wird auch die Gefahr, dass Du einen plötzlichen Blutsturz erleidest. Dein Tumor wächst schließlich weiter.“
    Blut. Da war es wieder, das böse Wort.
    „Ich blute manchmal – aber nur hellrot“, sagte Minnie.
    „Ich weiß“, antwortete Andreas. „Deshalb sage ich das auch.“
     
    Bella Schiffer saß grummelnd beim Mittagstisch. Sie sah ständig auf die Uhr.
    „Warum sind Sie heute so nervös?“, fragte Marisabel Prinz. „Haben Sie noch etwas vor?“
    „Meine errechnete Prognose läuft gleich ab“, antwortete Bella. „Gestern habe ich mir eine Botox-Spritze in die Stirn setzen lassen, um die Sorgenfalte zu vertreiben. Ich habe solche Angst!“
    „Was geben Sie bloß auf die Ärzte?“, fragte Marisabel und musterte ihre Fingernägel. „Sie sehen blendend aus, meine Liebe. Wie das blühende Leben!“
    „Aber man hört doch immer, dass es nochmal bergauf geht, bevor das Ende kommt!“
    Bella Schiffer blieb misstrauisch.
     
    Es war 16 Uhr, als Minnie in Marius’ Zimmer spähte.
    Der alte Zauberer lag auf dem Bett. Er blinzelte Minnie zu. „Da bist Du ja, meine Schöne!“
    Schwungvoll stand er auf und sein Mund neigte sich ihrer Hand entgegen. Mit Rechts ergriff er ihre Linke, sein Arm besetzte ihre Hüfte. Weich lag sie in seiner Armbeuge, und ließ sich rückwärts von ihm beugen.
    „Ich mach mir die Welt…“, sagte Marius, „widde widde wie sie mir gefällt.“
    Er sah Minnie tief in die Augen. „Du hast mir doch vor kurzem erzählt, dass Du den Auftritt von Nana Mouskouri verpasst hast. Das werden wir jetzt nachholen, denn Nana ist bei uns…“
    Der alte Kavalier

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