Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
Lächerlichkeit preisgeben und ihn auf die erste Seite der Gazetten katapultieren.
Nicht mal die Schuhe glänzten.
Oder sah er etwas schlechter? Nein, im nächsten Moment war plötzlich wieder alles glasklar. Anscheinend waren die kleinen Aussetzer Nebenwirkungen des Morphiums.
Hauptsache, seine Familie traf pünktlich ein. Klatsch wollte den Beginn seiner Sterbedokumentation, die in Wirk lichkeit sein Comeback einläuten sollte – die Ankunft und Trixies ersten Besuch in Haus Holle – heute unbedingt abdrehen.
Morgen würde er, das hatte er gerade beschlossen, einen Empfang für ausgewählte Journalisten und sich gerade in der Stadt befindende Kollegen im Grünen Saal von Haus Holle ausrichten.
Der Showmaster rief seine Assistentin. „Von A bis Z “, diktierte er der fleißigen Anja, „ich will die ganze Branche einladen. Bestimmt hat das Hospiz nichts dagegen. Schließlich ist das Gratis-PR. Außerdem werden Unmengen von Spenden in die Kasse von Haus Holle fließen.“
„Aber sollten Sie sich nicht schonen?“, fragte Anja.
„Schlafen kann ich noch genug“, meinte Klatsch. „Erst einmal gehen die Einladungen raus. Aber dalli, dalli!“
Karoline Bergmann saß bei einem Tee im Esszimmer, als Dr. Albers zu ihr trat.
„Passt es kurz?“, fragte der Psychologe die Ehefrau des Neuankömmlings.
Die junge Frau nickte.
„Wie schätzen Sie die psychische Stabilität Ihres Mannes ein?“
Die Ehefrau dachte kurz nach. Dann erwiderte sie: „Sehr hoch! Warum?“
„Haben Sie und Ihr Mann sich ausgesprochen?“
Karoline stutzte.
„Ja, wir sind mit uns im Reinen. Ich wüsste nicht, was zwischen uns stehen sollte…“
„Wie ehrlich reden Sie und Ihr Mann über seinen bevorstehenden Tod?“
Ängstlich blickte die Mutter zu ihrem Kind. Der erst dreijährige Leon spielte mit Playmobilfiguren, die Polizisten darstellten.
Die Frau räusperte sich. „Wieso?“
„Ich frage“, antwortete Dr. Albers, „weil ich mir bei jedem unserer Gäste ein Bild darüber mache, wie er mit seiner Krankheit umgeht.“
„Dann fragen Sie doch meinen Mann.“ Karoline Bergmann stand auf.
„Einen Moment, bitte“, sagte der Psychologe. „Ich habe noch eine Frage: Was ist Ihr größtes Problem in der aktuellen Situation?“
Unschlüssig blieb Karoline stehen. Mit einem leeren Blick auf ihr Kind verriet sie, was sie quälte: „Ich möchte mit meinem Mann über die Änderung in unserem Leben sprechen – aber ich habe Angst, dass er dann denkt, ich liebe ihn nicht mehr!“
Sie brach in Tränen aus.
Um Punkt 18 Uhr fuhr ein Taxi vor Haus Holle vor. Der Fahrer, ein gutaussehender Spanier, warf einen neugierigen Blick in das hell erleuchtete Esszimmer. Leider war die alte Dame, die er vor knapp vier Wochen vor der Rampe hinaus gelassen hatte, nicht zu sehen. Dafür bemerkte er Kameras. „Ob dort ein Film produziert wird?“, dachte Daniel. Heute Abend würde er im Internet recherchieren, was Haus Holle überhaupt war.
„Macht 37 Euro“, sagte er nüchtern, ohne seinen Fahrgast zu mustern, der ein penetrantes Parfum benutzt hatte. Selbst, wenn er versucht hätte, herauszufinden, wen er befördert hatte, wäre es aussichtslos gewesen. Die feine Dame hatte ihre Augen hinter einer weiten Sonnenbrille versteckt, und ein teurer Turban verhüllte ihren Kopf. Auch ihre Töchter trugen Sonnenbrillen. Sie jammerten auf Englisch, dass sie Süßigkeiten, ein McMenü und ein neues I-Pad haben wollten, weil sie ihr Spielzeug im Flugzeug vergessen hatten.
Bevor die Dame das Taxi verließ – fast hätte sie sich mit ihren High-Heels auf die Nase gelegt – warf sie einen forschenden Blick nach rechts und links. Doch dort war kein Späher zu sehen. Zwar glaubte sie einen Moment lang eine ältere blonde Journalistin, die sie entfernt an Gunilla von Bismarck erinnerte, im Gebüsch gesehen zu haben, doch das konnte auch eine optische Täuschung gewesen sein. Sie befahl die Kinder aus dem Auto, und das ungewöhnliche Trio stolzierte auf Haus Holle zu.
Dr. Albers saß bei Kai Bergmann.
„Wie glücklich wir sind“, erklärte der Psychologe dem Polizisten, „hängt davon ab, wie wir die Dinge um uns herum bewerten.“
„Nein“, widersprach der neue Gast. „Unsere Zufriedenheit hängt davon ab, wie die Dinge um uns herum sind.“
Andreas lächelte. „Wenn man es sich in jedem Moment so schön wie möglich macht, kann man gar nichts Schlechtes empfinden. Zufriedenheit ruht in uns selbst. Soll ich Ihnen ein Beispiel
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