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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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litt nicht unter Schmerzen, war umgeben von netten Menschen und sie würde ihre Rückführung machen.
    Als sich die Tür des Aufzugs öffnete, sah die alte Dame es sofort: Die Kerze brannte. Der Schock tat weh. Er schlug in ihr Herz ein wie ein Blitz. Nach einer Milli-Sekunde des Entsetzens schob Minnie den Rollator zur Tafel.
    Otto , stand in großen Lettern im Kondolenzbuch. Es gab noch keinen Eintrag. Zimmer 8 war wieder frei.
    Fünf Tote in fast vier Wochen.
    Wie rasch sich alles ändern konnte.
     
    Marisabel Prinz und Jesse Zimmermann saßen im Esszimmer. „Ob die Informationszettel jetzt noch gelten?“, fragte der Förster. „Oder ob ich ein Foto von dem Eintrag im Kondolenzbuch machen und es bei Facebook posten darf?“
    „Das ist verboten“, erwiderte Marisabel nölig. „Der große Otto G. Klatsch! Ich habe ihn nur ganz kurz gesehen. Kommt kurz, richtet sich ein, und stirbt direkt. Was für ein filmreifer Abgang! Wir können nur hoffen, dass uns die Journalisten nicht die Türen einrennen und uns ihre Mikrofone vor den Mund halten. Ich für meinen Teil werde nichts sagen, wenn ich gefragt werde. Höchstens, dass ich Klatsch immer sehr verehrt habe. Er war so authentisch und natürlich. Er hatte Esprit, er konnte aus dem Stand moderieren und er hielt sich optisch tipp topp. Das müssen die jungen Moderatoren ihm erst mal nachmachen. Pah! Mehr würde ich der Journaille nicht sagen.“
    Ihre Miene wurde bierernst. „Hoffentlich stürmt keiner nach oben, und macht ein Foto von dem Toten, wie es damals dieser Journalist beim toten Barschel in der Badewanne gemacht hat.“
    „Klatsch ’s Leiche ist gar nicht mehr oben. Ich habe gesehen, dass sein Sarg schon gestern Abend gegen 23.30 Uhr aus dem Haus getragen wurde. Seine hypernervöse Assistentin brabbelte ständig was von Flug-Umbuchungen, Totalausfällen und Ausladungen. Ich glaube, seine Leiche ist schon unterwegs nach Los Angeles. Aber schauen Sie mal… was sagen Sie zu diesem Foto?“
    Marisabel kniff die Augen zusammen und fixierte ein Bild, dass den toten Otto G. Klatsch in seinem Zimmer zeigte. Während des Sterbens hatte sich der Darm des Entertainer s entleert. Der ganze Boden sah braun aus.
    „Wie können Sie nur?“, empörte sich Marisabel. „Löschen Sie das sofort!“
    „Nein! Außerdem habe ich noch ein Video, wie er zusammenbricht, sich an die Kehle fährt und ruft, was man ihm ins Essen getan hätte“, sagte Jesse. „Schauen Sie mal!“
    Marisabels Neugier siegte. Mit spitzen Fingern ergriff sie das Handy und starrte gebannt auf das Display.
    „ Was habt Ihr mir ins Essen getan? Mir ist plötzlich so schlecht .“, sagte Otto G. Klatsch’s Stimme. Anschließend brach er zusammen. Zuletzt drang Schaum aus seiner Hose.
    „Furchtbar! Was ist das?“, fragte Marisabel fasziniert.
    „Klatsch litt unter Darmkrebs im Endstadium“, sagte Jesse. „Was mache ich bloß mit diesem Material?“
    „Sie haben seine Persönlichkeitsrechte verletzt“, stieß die Hundezüchterin schockiert aus. „Sie treten die Menschenwürde anderer ja mit Füßen! In Ihrer Nähe wird mir schlecht!“
    „Nein, nein“, beschwichtigte Jesse die Hundezüchterin. „Dieses Handy gehört nicht mir. Ich habe es auf der Toilette gefunden! Jemand muss es dort liegen gelassen haben. Bestimmt ein Kameramann, der das Geschäft seines Lebens witterte, als er plötzlich im selben Raum war wie der sterbende Entertainer. Ich habe den Empfang des Smartphones deaktiviert, damit er es nicht orten kann. Ich werde es gut verwahren!“
    „Schrecklich wie sich manche Menschen am Schicksal anderer ergötzen“, meinte Marisabel besänftigt. „Als Star ist man nie vor Kriechern gefeit, und weiß nie, wer ein Freund oder ein Feind ist. Gut, dass Sie es gefunden haben.“
    „Das ist bestimmt eine Million wert“, sagte Jesses Bruder Jeremy. Still und leise hatte er sich ins Esszimmer geschlichen und das vertrauliche Gespräch belauscht. „Damit kannst Du reich werden, Jesse… Wir können reich werden…“
    „Bist Du verrückt?“, rief Jesse. „Ich soll mit einer schlechten Tat aus dem Leben scheiden? Das würde ich niemals tun.“
    „Gut so“, beschied Marisabel. „Es wäre auch verantwortungslos, und ein Schlag ins Gesicht all er Fans von Klatsch. Niemand will sehen, wie der große Otto gestorben ist. Auf Ihren Schultern lastet eine große Verantwortung, Jesse.“
    „Ich weiß!“ Die Finger des jungen Försters schwebten bereits über der Löschtaste auf dem Handy.

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