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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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„Eigentlich war ich keine Sekunde lang in Versuchung.“
    Jeremy jedoch wollte Jesse davon abhalten. Er flüsterte seinem Bruder etwas ins Ohr, doch der Kranke schüttelte den Kopf. „Nein, Jeremy, ich brauche das nicht mehr…“
    „Aber wir könn ten uns die besten Ärzte der Welt kaufen! Sie könnten Dich noch einmal unter die Lupe nehmen!“, rief Jeremy.
    „Meine Lage ist aussichtlos, sieh’ das doch endlich ein.“
    „Das hat sie Dir eingeredet… sie mit ihrem Gerede über Hospize. Ich weiß, dass Du nicht wirklich hier sein willst. Wir könnten das Haus zusammen verlassen!“
    In diesem Moment erschien sie auf der Bildfläche. Sie war die Schwester der Zimmermann-Brüder. Kalt durchschnitt ihre Stimme die Luft. „Was ist hier los, Jeremy?“
    Joanna Zimmermann war zwar eine kleine, dicke Frau, aber die Wirkung ihres Auftritts war unglaublich. Jesse verstummte umgehend.
    „Hallo Drache“, nuschelte Jeremy. „Bist Du gekommen, um zu checken, ob ich Brüderlein etwas Schlechtes einrede?“
    Joanna knallte ihre Handtasche auf den Esszimmertisch. „Kontrolle ist besser“, sagte sie unwirsch. Sie küsste Jesse sanft auf die Wange. „Gut geschlafen?“
    „Nein“, erklärte der kranke Bruder. „Letzte Nacht war hier viel los…“ Er erzählte seiner Schwester vom Einzug des Prominenten, der nach einer großen Welle in einer braunen Schaumwolke gestorben war – und verschwieg weder das Foto noch das brisante Filmmaterial.
    „So ein krankes Arschloch“, empörte sich Joanna. „Wie kann ein Mensch aus dem nächsten Umfeld heimlich ein Video vom Tod seines prominenten Arbeitgebers drehen?“
    „Nicht wahr?“, stimmte Marisabel Prinz ein. „Stellen Sie sich mal vor, wie das ausarten würde – wenn es echte Bilder vom Sterben echter Menschen gäbe. Das könnten doch auch Kinder sehen. Zum Beispiel im Internet.“
    „Wieso im Internet?“, fragte Joanna scharf und fixierte ihre Brüder.
    „Wenn ich Jeremy richtig verstanden habe…“, begann die Hundezüchterin, doch der junge Mann unterbrach sie wütend. „Ja, liebes Schwesterlein, ich hatte die Idee, es zu verkaufen – aber nur, um Jesse aus dieser Hölle zu befreien.“
    „Aus dieser Hölle?“ Empört sog Joanna Zimmermann die Luft ein. „Du weißt selbst, dass…“
    „… Du es ihm eingeredet hast, sich aufzugeben“, ergänzte der zornige Bruder ihren Satz. „Aber Jesse muss nicht sterben. Jetzt gibt es neue Möglichkeiten. Wir hätten nun das Geld für die besten Ärzte!“
    „Ach, Möglichkeiten nennst Du das, was Du vorhast!“ Joannas Stimme klang schrill. „Ihn zu Deinem Arztfreund schleppen, der ihm eine Spritze gibt, damit Jesse sanft einschläft. Ich nenne das Sterbehilfe!“
    „Daran habe ich gedacht, bevor wir diesen Film hatten“, gestand Jeremy. „Aber ich gebe zu, dass es ein Fehler war, Dir davon erzählt zu haben. Seitdem wachst Du wie ein Adler über Jesse. Ich kann kaum noch mit ihm allein sein. Als ob er hier in Sicherheit wäre. Schau Dich doch um. In Haus Holle wird im Sekundentakt gestorben! Dr. Coppelius hat Jesse aufgegeben. Ich hoffe wirklich für Dich, dass Du nachts noch schlafen kannst.“ 
    „Ich schlafe sehr gut“, entrüstete sich Joanna Zimmermann. „Es war Jesses eigene Entscheidung, hierher zu kommen – nicht wahr?“
    Die wütenden Geschwister fixierten ihren kranken Bruder.
    „Hört auf, zu streiten“, bat Jesse müde. „Ich wünsche mir Frieden.“ Der Kranke wandte sich Jeremy zu. „Ich weiß, dass Du es gut mit mir meinst. Aber ich will keine neuen Behandlungsmöglichkeiten. Brüderlein, sieh doch ein, dass dieser Kampf beendet ist. Ich habe diesen Begriff immer gehasst, wenn es um meine Beziehung zu meinem Krebs ging. Ich bin hier, weil ich es möchte.“
    „Erkennst Du jetzt, wie sehr Du ihn beeinflusst hast?“, herrschte Jeremy Joanna an. „Früher, als er noch gesund war, hätte er das nie gesagt. Die Berge, die Freiheit, die Weite der Welt – all das war mein Jesse. Aber doch nicht dieser Mensch, der sich jetzt so hängen lässt, statt sich wieder am Seil hochzuziehen und den nächsten Gipfel zu erklimmen. Das ist alles Deine Schuld!“
    Bedrückt blickten Annette, Angie und Bella, die sich mittlerweile im Esszimmer eingefunden hatten, Jeremy an. Seine Worte hallten wie ein Echo in ihren Ohren.
    Bella ergriff das Wort. „Mit aufgeben hat es wenig zu tun, dass wir hier sind, Jeremy. Zumindest nicht bei mir. Ich bin hier am besten aufgehoben. Und ja, ich fühle mich hier

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