Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
weil ich befürchtete, dass Du denkst, ich gäbe mich auf, weil Du mir nicht genug bedeutest. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Wir müssen über den Tod reden!“
Weinend sank seine Frau in seine Arme. Ihr schwarzes Haar umhüllte sein Gesicht wie ein dichter Vorhang. „Ich liebe Dich“, sagte Karoline. „Ich liebe Dich von ganzem Herzen.“
„Wenn wir nicht ehrlich zueinander sind“, antwortete Kai, „endet mein Leben in Unehrlichkeit. Ich möchte mit mir selbst im Reinen sein.“
„Warst Du das nicht immer?“, fragte Karoline. „Waren wir das nicht immer?“,
„Ja“, entgegnete ihr Mann. „Es war wunderschön mit Dir. Es ist wunderschön mit Dir!“
Und ohne allzu viele Worte, fanden die Bergmanns zurück zu dem in sich ruhenden Gleichgewicht, das es von Anfang an in ihrer Beziehung gegeben hatte.
„Das muss hopp, hopp, hopp gehen“, rief Otto G. Klatsch, um der seiner Meinung nach lahmen Truppe von Assistenten, Technikern und Familienmitgliedern einzuheizen. Man war beim letzten Bild der für diesen Tag geplanten, ersten Szene angekommen – Ottos Ankunft in Haus Holle.
Klatsch ermahnte seine Assistentin, die Pfleger nicht mehr unangemeldet eintreten zu lassen. Zuvor war zweimal Personal ins Zimmer geplatzt, als die Kamera lief. Das hatte Ottos Zeitplan gehörig durcheinander geworfen.
Erbost sah Klatsch auf seine Uhr, drehte die letzte Szene ab und herrschte seine Managerin an. „Wartet der Wagen für die Pressekonferenz? Vorher will ich noch eine Ladung Botox in die Stirnfalte!“
Die Assistentin bejahte, und Klatsch wurde neu gestylt. Statt eines blumigen Anzugs trug er nun einen blauen, glänzenden Smoking. Er wurde frisch frisiert, geschminkt, besänftigt und man war auf jede seiner erdenklichen Launen vorbereitet.
Dann verabschiedete sich der alte Entertainer mit einem flüchtigen Kuss von seiner Ehefrau und mit einem Gruß an seine Töchter. Ihm fehlte die Zeit für eine Umarmung. „Morgen um 10 Uhr hier“, rief er Trixie zum Abschied zu. Otto hastete zum wartenden Wagen.
Auch Karoline Bergmann war gehbereit. Sie lehnte in der Tür und sah ihren im Bett liegenden Mann an. „Dann besprechen wir bald alles?“, fragte sie. „Auch die Beerdigung?“
„Auch die Beerdigung“, antwortete Kai. Er streckte die Hand nach seiner Frau aus. „Mein Schatz, ich möchte, dass Du heute Nacht bei mir in diesem Holzbett schläfst.“
„Und Leon?“ Karoline zog die Stirn in Falten.
„Ich bitte Dich“, sagte Kai. „Ich bitte Dich, bei mir zu schlafen.“
„Okay“, entgegnete Karoline. „Bestimmt hat die Stationsschwester irgendwo ein Kinderbett. Wir werden ja nicht die Ersten sein, bei denen das nötig ist. Ich werde sie fragen und komme anschließend zu Dir zurück.“
Lachend wandte sie sich ihrem Mann zu. „Aber etwas muss Dir klar sein: Die Gitter Deines Bettes bleiben oben. Sonst plumpst einer von uns hinaus…“
Als Karoline die Treppe nach unten betrat, kam ihr ein schwarzweißer Kater mit einer Batman-Kappe entgegen, der die junge Frau mit großen Augen anblickte. Er erinnerte sie an den kleinen blauen Elefanten aus der Sendung mit der Maus .
Kurz bevor er sie erreichte, machte er die Hinterpfoten lang, streckte ihr den Oberkörper entgegen und schmeichelte sich mit seinem süßen Kopf in Karolines Handinnenfläche.
„Wohin willst Du denn?“, fragte Karoline.
Das Tier miaute.
Aufgekratzt stand Otto G. Klatsch in seinem Zimmer. Der Abend war glänzend verlaufen. Zwar hatten ihn einige Kollegen und Senderverantwortliche zur Seite nehmen wollen, um ihn zu fragen, wie es ihm ginge, aber zuvor hatte er eine launige Rede über seine Comeback-Show gehalten, und selbst die tiefsten Zweifler, die etwas Ungesundes in seinem Auftritt erkennen wollten, mussten am Ende anerkennen, dass Otto G. Klatsch nur eines ausstrahlte: Perfektion.
Er war zuversichtlich, er wirkte stark, er machte seine alten Scherze. Er trank Bier, plauderte mit Senderverantwortlichen, scherzte mit einer PR-Dame und hielt das Glas hoch: „Auf das Leben!“, rief Otto G. Klatsch. Hunderte von Menschen stießen mit der Luft an – auf ihn, den Großen, den Künstler, den Star.
„Wie war Ihr Abend?“, fragte er Anja.
„Bestens“, entgegnete seine müde Assistentin. „Möchten Sie heute Abend noch eine Kameraeinstellung drehen? Sonst könnten die Kameramänner und Techniker vielleicht…“
Mit fragenden Blicken wartete Klatsch’ s Entourage auf weitere Instruktionen. Jeder freute
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