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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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Ursache für die mitleiderregenden Schreie Schmerzen waren. Pellenhorns Tränen passten nicht dazu.
    Während sie grübelte, betrat ein fremder Mann das Esszimmer. Mit ihm schien eine neue Energie Einzug zu halten, und die alte Dame schenkte dem Unbekannten ein freundliches Lächeln.
    Der Fremde nickte ihr nur kurz zu, setzte sich und legte den aufgeschlagenen Kriminalroman Lauter reizende alte Damen von Agatha Christie auf den Tisch.  Minnie beschloss, ihn anzusprechen. Doch ehe sie die Lippen öffnen konnte, stürmte die kleine Fee bereits um den Tisch und schlang beide Arme um den Hals des Mannes. „Da bist Du ja, Mike!“
    Jetzt erkannte Minnie den jungen Mann wieder. Es war Mike Powelz, der Sohn des Gastes aus Zimmer 12. Der Reporter. Journalisten interessierten die alte Dame sehr. Bestimmt konnte er ihr viel Spannendes erzählen.
    „Stimmt es, dass Sie hier mit ihrem Vater und Ihrer Mutter leben?“, richtete die alte Dame das Wort an den jungen, leicht schwitzenden Mann mit den dunklen Haaren. „Mein Name ist Minnie!“
    Mike bejahte und erhob sich höflich. Als er ihr die Hand reichte, sah sie sie, dass er sehr müde war. Oder besser gesagt: übernächtigt.
    Mike musterte Kostjas Speisen – Tomatensalat mit Zwiebeln und Balsamico-Essig, kleine Würstchen, frischen Käse, selbstgebackenes Brot und Karottenlasagne mit Pesto.
    Hungrig griff er zu.
    „Worüber schreiben Sie, Mike?“, fragte Minnie.
    Seine Antwort überraschte die alte Dame. Mike arbeitete seit vielen Jahren für eine TV-Zeitschrift, die sie seit den Sechziger Jahren abonniert hatte. Dass man dafür auch Politiker wie Helmut Schmidt und sogar den Exorzisten des Papstes interviewen musste, das war ihr noch nie aufgefallen. Meistens las sie nur den Programmteil.
    „Früher, bevor ich hierher kam“, gestand Marisabel, „habe ich jeden Tag ferngesehen – von morgens bis abends. Hier komme ich kaum noch dazu. Ist das nicht ein gutes Zeichen?“
    „Ich schaue gern Gute Zeiten, schlechte Zeiten “, sagte Omi. „In der Serie zerbricht gerade eine Dreiecksbeziehung. Ich bin gespannt, ob sich Pia für Leon oder John entscheidet. Außerdem liebe ich die Lindenstraße . Das ist die realistischste Fernsehserie, die ich je gesehen habe! Am letzten Sonntag war es so dramatisch, als Josi an einer Infektion mit einem EHEC-Erreger starb. Schrecklich!“
    Herausfordernd sah sie Mike an. „Haben Sie vielleicht mal Lust auf eine Partie Mensch ärgere Dich nicht ?“
    „Wenn ich Zeit habe, können wir das gerne machen!“ Eher desinteressiert musterte Mike Omi und ihr Strickzeug. „Aber Sie werden verlieren!“
    „Ha-ha, da kennen Sie mich aber schlecht…“, entgegnete die hungrige Dame, und errötete. „Ich möchte aber nicht, dass jemand was Falsches denkt. Sie wissen schon, worauf ich hinaus will, eine alte Frau und ein junger Mann bei einem Gesellschaftsspiel…“
    Unwillkürlich musste Annette grinsen.
    Plötzlich schoss Minnie ein Gedanke durch den Kopf. Sie drehte sich um und fragte Mike, ob er Lust auf eine Partie Monopoly hätte. „Wie wäre es morgen mit einem Duell?“
    „Gern“, sagte der Journalist. „Direkt nach dem Frühstück? Dann wird mein Vater immer gewaschen. Ab zehn Uhr kann er kurz auf mich verzichten.“
    „Abgemacht. Dann sehen wir uns morgen Vormittag um 10 Uhr in Zimmer 6!“
    Die alte Dame hatte erreicht, was sie wollte. Der junge Mann gefiel ihr. Und sie hatte eine Idee. Wer Agatha Christie las, konnte auch um die Ecke denken. So jemanden brauchte sie jetzt.
    Jemanden, der Fragen stellte.
     
    Mike war pünktlich.
    Um zehn Uhr klopfte er an Minnies Tür. Die alte Dame hatte das Monopoly-Spiel bereits aufgebaut.
    Sie setzten sich gegenüber und losten aus, wer die Bank übernahm. Schweigend spielten sie die ersten Runden.
    Rasch erbeutete Minnie die hellblaue Straßenreihe und das Elektrizitätswerk. Mike hatte ebenfalls Glück. Er kaufte nur die teuren Straßen sowie zwei Bahnhöfe und – die Würfel meinten es gut mit ihm – die wertvollste aller Besitzkarten, die dunkelblaue Schlossallee.
    Als er siegessicher lachte, stellte Minnie die erste Frage. „Sie lesen Kriminalromane?“
    „Ja – Agatha Christie ist der beste Zeitvertreib, wenn man tagelang im gleichen Sessel hockt. Außerdem schreibe ich im Hospiz Artikel für meinen Arbeitgeber.“
    Seine Zunge war leicht zu lockern, und Minnie erkannte, dass er keine Mördergrube aus seinem Herzen machte. Im Gegenteil: Mike offenbarte sich schnell.
    Das machte es

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