Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
und landete als Besucher im Gefängnis.
Dann blickte er die alte Dame direkt an. „Wieso stellen Sie mir all diese Fragen?“
Minnie antwortete mit einer Gegenfrage. „Wie gut können Sie Geheimnisse bewahren?“
Mike lachte. „Früher war ich schlecht darin und musste mir mehrmals von guten Freunden anhören, dass ich nicht vertrauenswürdig sei. Inzwischen sind Geheimnisse sehr gut bei mir aufgehoben.“
„Dann möchte ich Ihnen von einigen seltsamen Begebenheiten erzählen. Ich brauche einen Vertrauten. Und wer weiß? Vielleicht sind wir uns nicht zufällig begegnet – Sie mit Ihren Krimis und ich mit meinen kleinen Rätseln.“
Nach dieser Einleitung war ihr Mikes Aufmerksamkeit gewiss. „Legen Sie los! Worauf beziehen sich Ihre Andeutungen?“
Die alte Dame erzählte ihm alles. Ihre Schilderung begann mit der Niedertracht und Gehässigkeit, die der alte Knut Knopinski beim Abendessen offenbart hatte – und dass Angie ein Taschentuch unter dem Tisch zerrissen hatte. Sie erzählte Mike von Knopinskis seltsamer Bemerkung, dass er niemals ein Gesicht vergäße, und dass ihr das wie eine Anspielung und eine Drohung vorgekommen war. „Daraufhin ging Knopinski mit seiner Frau in sein Zimmer, und schwafelte etwas von einem Foto, auf dem ein Mörder zu sehen sei. Ihr Gespräch hätte jeder hören können, der damals auf der Treppe stand oder in einem der angrenzenden Zimmer wohnte – aber auch Omi, die sich gerade im Flur befand.“
„Seltsame Geschichte“, meinte Mike. „Was geschah anschließend?“
„Am nächsten Tag blieb der uralte Knopinski in seinem Zimmer. Er hängte das Schild mit der Aufschrift Bitte nicht stören an seine Tür. Seine inzwischen verstorbene, sehr gesund aussehende Frau, kam zweimal allein zum Essen nach unten. Ich plauderte etwas mit ihr, und wir beschlossen, demnächst Schach zu spielen. Doch so weit kam es nicht mehr: Irgendwann in der folgenden Nacht starb das Ehepaar – urplötzlich. Ich glaube, dass es ein Doppelmord war. Doch mich irritiert noch mehr.“
Ausführlich berichtete sie, dass in der Todesnacht der alten Knopinskis plötzlich ein reger Betrieb geherrscht hatte. „Erst knallten Korken in Bella Schiffers Zimmer. Kurz darauf stand eine rothaarige Frau vor Knopinskis Tür. Noch später fiel die Haustür mit einem ohrenbetäubenden Knall ins Schloss. Dieses Geräusch hätte Tote zum Leben erwecken können. Und zu guter Letzt“, sie senkte die Stimme, „fiel mir auf, dass Gertrud Knopinskis Schmuck fehlte – genau wie Geld von Bella Schiffer und die Brieftasche von Adolf Montrésor. Allerdings glaubt er, dass seine demente Frau sein Portemonnaie verlegt hat.“
„Wurde der Schmuck der toten Gertrud geklaut?“
„Ja“, sagte Minnie. „Sämtliche Ringe waren verschwunden, und Gertrud Knopinskis Schmuckkästchen war auch leer.“
„Ist das alles?“, fragte Mike mit voller Konzentration.
„Nein“, sagte Minnie. „Im Zimmer der Toten roch es nach frischem Haarspray. Außerdem lag kalter Rauch in der Luft.“
„Wem ordnen Sie diese Gerüche zu?“
„Das Haarspray benutzt Bella Schiffer“, erklärte Minnie. „Und es gibt nur einen Starkraucher im Haus. Das ist Adolf Montrésor. Er und die Knopinskis wohnten vis-à-vis – in den Zimmern 3 und 2.“
Mike würfelte, hatte Glück und landete auf dem letzten Bahnhof. Diesmal war er aufmerksamer, und bezahlte den Kaufpreis.
Er sah Minnie ernsthaft an. „Ihre Story ist total seltsam. Vor allem die Geschichte mit dem komischen Foto! Sind das alle Infos? Wenn Sie fertig sind, möchte ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen.“
„Nein, mir sind noch zwei weitere Dinge aufgefallen… Aber die sind, wie soll ich mich ausdrücken, vielleicht an den Haaren herbei gezogen.“
„Heraus mit der Sprache!“
Minnie seufzte. „Kennen Sie die Geschichte des Hauskaters? Das ist das Tier, das sich immer zu den Sterbenden gesellt.“
„Ich habe davon gehört.“
„Nun, das Tier heißt Nepomuk. Aber in Knopinskis Todesnacht saß der Kater weder in Zimmer 2 noch vor der Tür. Dabei kommt er immer, wieder jemand eines natürlichen Todes stirbt.“
„Das muss nichts bedeuten“, sagte Mike ernst. „Aber es könnte etwas bedeuten. Sie meinen…“
„Einen Doppelmord kann der Kater nicht erahnen. Verstehen Sie jetzt, worauf ich hinaus will?“
„Ja“, erwiderte Mike. „Und Ihre letzte Beobachtung?“
Minnie ließ die Würfel fallen. Mit großen Augen sah sie Mike an. „Gibt es in Haus Holle noch einen
Weitere Kostenlose Bücher