Die florentinische Prinzessin
Lippen öffneten sich zu einem verächtlichen Lächeln. »Hoffentlich lauern in den Sträuchern hier keine Ketzer.«
»Das ist alles andere als amüsant!«, erwiderte ich verärgert, als Henri in Lachen ausbrach. »Wenn wir nicht schnell handeln, könnte uns ein neuer Krieg drohen, nur dass sie diesmal ganz Paris niederbrennen würden.« Ich wandte mich an Birago. »Berichtet es ihnen.«
Mein Berater, der nur noch vereinzelte Haarbüschel auf dem von Altersflecken übersäten Kopf hatte, glich in seiner Samtrobe mehr denn je einem knorrigen Ast, doch er sprach mit kraftvoller Stimme. »In Paris halten sich derzeit über sechstausend Hugenotten auf. Viele davon sind wegen der Hochzeit gekommen und noch nicht wieder abgereist. Falls sie beschließen, Vergeltung für den Anschlag auf Coligny zu üben, werden sie sich nicht damit begnügen, vor unseren Toren Knüppel und Messer zu schwingen. Am Ende könnten sie sogar den Louvre stürmen.«
Guise ließ bestürzt den Kopf hängen. »Dann lasst es mich besser machen«, murmelte er schließlich.
Ich starrte ihn entgeistert an. »Ich habe dir einen Zeitpunkt und einen Ort genannt, damit du die Tat begehen kannst, und du hast alles falsch gemacht. Wie kommst du darauf, dass ich dir jetzt noch einmal etwas anvertrauen würde? Wir müssen vielmehr zusehen, dass wir dich sicher auf dein Landgut in Joinville bringen.«
»Ich erwarte von Euch ja gar nicht, dass Ihr mir vertraut«, erwiderte er überraschend ruhig. »Aber ich versichere Euch, dass es mir diesmal nicht misslingen wird. Im Gegensatz zu Lazarus kann selbst ein Coligny nicht vom Grab auferstehen.«
Henri trat auf mich zu. »Maman, ich werde ihn begleiten. Wir werden jeden im Haus töten.«
Ohne Vorwarnung vernahm ich auf einmal die Stimme meines toten Schwiegervaters.
So ist das Leben , ma petite. Manchmal müssen wir als Erste zuschlagen …
Ich presste mir eine Hand auf die Brust und drehte mich langsam zur Seine um, deren stechender Gestank sich mit den süßen Düften meines Gartens mischte. Ich konnte es nicht länger leugnen: Wenn Coligny überlebte, würde er mich bis auf den Tod bekämpfen. Es ging um sein Leben oder meines.
Ich wandte mich wieder den anderen zu. Langsam senkte sich die Dunkelheit über sie – Guise eine Statue aus Elfenbein, Henri geschmeidig und ein Teil der Nacht, der zaudernde Birago ein Spiegelbild meiner selbst.
» Jeden? «, flüsterte ich, und jäh blitzten die Gesichter all derer vor mir auf, die ich in dem Haus gesehen hatte. Sie hatten Frauen und Kinder. Konnte ich ihren Tod auf mein Gewissen laden?
»Jeden.« Mit unbewegter Miene nannte Guise sie beim Namen: »Colignys Schwiegersohn Teligny, seinen Hauptmann Aubigne, die Grafen Rochefoucauld, Souissy und Armagnac: Sie befinden sich in dem Haus und müssen sterben. Die Sache der Hugenotten wird einen vernichtenden Schlag erleiden.« Er hielt inne und warf Henri einen Blick zu, woraufhin mein Sohn eine wegwerfende Handbewegung machte. Dann blickte Guise mich an. »Ihr habt Navarra in der Hand. Ich schlage vor, dass Ihr ihn unter Eurer Kontrolle behaltet, bis diese Angelegenheit vorbei ist. Es versteht sich von selbst, dass er nie wieder in sein Reich zurückkehren kann.«
Ich zögerte, musterte nachdenklich einen nach dem anderen. Was verlangten sie da von mir? Was würde ich in Bewegung setzen, wenn ich diesem Ansinnen zustimmte? Und dann, gerade als sich die ersten Zweifel regten, fielen mir Colignys Worte wieder ein: Wir werden für Navarra und ein hu genottisches Frankreich kämpfen …
Er oder ich. Von Anfang an war es zwischen uns immer nur darum gegangen: er oder ich.
Ich ertappte mich dabei, wie ich nickte. »Morgen Abend«, sagte ich leise. »Dann könnt ihr handeln.«
Guise verbeugte sich. Henri zwinkerte mir zu und zog sich die Kapuze über den Kopf.
»Welcher Tag ist morgen?«, fragte ich, als die beiden in den länger werdenden Schatten verschwanden.
»Sonntag der fünfundzwanzigste«, sagte Birago. »Der Abend vor dem Fest des heiligen Bartholomäus, dem Schutzpatron aller Heiler.«
Am nächsten Tag, an dem wieder sengende Hitze herrschte, erhielt ich um Mittag die Nachricht, dass Navarra von seinem vormittäglichen Besuch bei Coligny zurückgekehrt war. Mein Sohn Hercule weilte bereits bei ihm in seinen Gemächern. Das war für mich das Signal, sofort unsere Hofprostituierten loszuschicken. Ich brauchte die Gewähr, dass die beiden Burschen stundenlang mit Wein und den Freuden des Fleisches
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