Die florentinische Prinzessin
abgelenkt wurden, damit sie die vor ihren Toren postierten Wachmänner nicht bemerkten. Als Henri dann am Abend von seiner Patrouille zurückkehrte und mir meldete, dass es in Paris keine Unruhen gegeben hatte, obwohl die Straßen und Gassen um Colignys Haus herum immer noch mit Hugenotten überfüllt waren, suchte ich Charles in seinen Gemächern auf.
Während ich mit ihm sprach, saß er auf seinem Bett, neben sich seinen Jagdhund, und warf in einem fort die bei Coligny gefundene Bleikugel von einer Hand in die andere. »Es ist also wahr«, sagte er, als ich geendet hatte. »Guise hat auf ihn geschossen.«
»Nein.« Ich beugte mich auf meinem Stuhl vor. » Ich habe Guise dazu aufgefordert. Wenn ich etwas bedaure, dann nur, dass er versagt hat. Ich war am Morgen bei Coligny. Ich hatte gehofft, sein Leben schonen zu können, aber er hat mir gedroht. Obwohl ich ihn gegen den Widerstand aller anderen begnadigt hatte, hat er sich jetzt dazu bekannt, dass er der Auftraggeber von le Balafrés Mörder war und dass er bereit ist, dafür zu kämpfen, Navarra auf deinen Thron zu setzen. Darum bin ich zu dem Schluss gelangt, dass ich keine andere Wahl habe.«
Charles ließ den Kopf hängen und stöhnte. »Warum hassen sie uns nur so sehr?«, flüsterte er. »Ich verstehe das nicht. Warum, obwohl wir alle immer nur Frieden wollten?«
»Nicht alle sind so. Charles, schau mich an.« Ich umfasste sein Kinn und hob sein Gesicht. Er wollte es Henri gleichtun und ließ sich ebenfalls ein Ziegenbärtchen wachsen, doch alles, was ich in diesem Moment sah, war der Junge, der er gewesen war, als le Balafré und Coligny zum ersten Mal in den Krieg gezogen waren. Damals hatte exakt dieselbe Verzweiflung und Verwirrung aus seinen Augen gesprochen. »Nicht alle sind so. Es gibt viele Hugenotten, die ihren König verehren und sich wie wir nach Frieden sehnen. Verstehst du? Wir müssen das tun, um sie zu retten.«
Über seine bleiche Wange rann eine Träne. Die Kugel rutschte ihm aus der Hand und fiel zu Boden. Langsam nickte er, dann umfasste er die Knie mit beiden Armen, zog sie bis an seine Brust heran und legte sich zusammengerollt hin, dicht an seinen Hund geschmiegt.
Ich ließ ihn in Biragos Obhut zurück. Im Flur traf ich Henri an. Er hatte auf mich gewartet. »Es darf keine Änderungen an unseren Plänen geben«, warnte ich ihn. »Guise ist von brennendem Hass gegen Coligny erfüllt. Ich will nicht, dass er nach den Männern in diesem Haus noch andere tötet.«
»Ich werde alles überwachen«, versprach Henri mit einem aufmunternden Lächeln. »Vertraut mir, Maman. Nach der heutigen Nacht werdet Ihr Euch nie wieder wegen der Hugenotten sorgen müssen.«
Seine Worte vermochten mich keineswegs zu beruhigen, auch wenn mir nicht klar war, warum. Jetzt konnte ich ohnehin nicht mehr umkehren, sagte ich mir auf dem Rückweg in meine Gemächer. Ich konnte mir Zweifel oder Bedauern nicht leisten. Ich musste tun, was notwendig war, um Frankreich zu schützen. Andere Herrscher vor mir hatten ihre Feinde ohne Skrupel aus dem Weg geräumt, und Coligny war ein Verräter. Er verdiente es, für das, was er getan hatte, zu sterben.
Trotzdem aß ich ohne jeden Appetit und saß still vor mich hin brütend da, während meine Damen sich um mich herum zu schaffen machten. Schließlich kam es mir in den Sinn zu fragen: »Hat irgendjemand Margot gesehen?«
Anna-Maria schüttelte den Kopf. »Nein, Hoheit. Sie ist den ganzen Tag nicht aus dem Haus gegangen, aber wie ich gehört habe, beabsichtigt sie, heute Abend mit Königin Isabell in deren Gemächern zu speisen.«
Das klang eigentlich ganz vernünftig, doch dann sagte ich mir, dass es besser wäre, wenn Margot heute bei mir bliebe. Isabell zog sich immer früh zurück. Und wer wusste schon, wo sich meine Tochter danach herumtreiben würde? Ich wollte nicht, dass sie ihren Mann oder Hercule aufsuchte und auf die Wachposten vor deren Tür stieß.
»Ich gehe sie holen«, verkündete ich. »Ich habe das Bedürfnis nach Gesellschaft. Lucrezia, du kommst mit. Und du, Anna-Maria, richtest unterdessen in meinem Schlafgemach ein zweites Bett für Margot her.«
Ich legte mir mein Samttuch über die Schultern und trat mit Lucrezia in den Gang hinaus. Die Fackeln an den Wänden knisterten leise und verbreiteten mehr Rauch als Licht. Nervös blickte ich Lucrezia an. Der besorgte Ausdruck in ihren Augen erinnerte mich eindringlich an das, was in diesem Moment jenseits der Palastmauern geschah. Fast war mir,
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