Die florentinische Prinzessin
von Widerstand feststellen. Auch wenn sich Gerüchte über Colignys Ketzertum verbreitet haben mochten, hatte er sich anscheinend nicht öffentlich zu seinem neuen Glauben bekannt.
Monseigneur legte seine langen Finger aneinander und hielt sie sich vors Gesicht. In das sich ausbreitende Schweigen hinein zog Birago die Dokumente aus seiner Mappe und verkündete: »Edle Herren, hiermit lege ich euch die offizielle Ausrufung der Regentschaft Ihrer Hoheit zur Unterschrift vor.«
Stunden später erschien ich zu einem kalten Abendbrot. Kaum hatte ich aufgegessen, trat auch schon Birago ein. Während Lucrezia abräumte, ließen wir uns vor meinem Kamin nieder.
»Madama, den Tag haben wir zwar gewonnen, aber sicher sind wir deswegen noch lange nicht.« Er streckte die Füße vor dem Feuer aus. »Meine Spione berichten mir, dass le Balafré überhaupt nicht vor dem Parlament erschienen ist. Stattdessen hat er sich zum Sitz der Guises in Joinville in der Champagne begeben, wo er viele Anhänger hat. Ich fürchte, er schmiedet ein Komplott gegen Euch.«
»Von ihm habe ich nichts anderes erwartet. Aber immerhin ist Joinville mindestens einen Wochenritt von Paris entfernt. Was immer sie planen, sie können keine Armee aufstellen, ohne dass wir davon erfahren, richtig?«
Birago nickte. »Allerdings. Und ich habe fast ebenso viele Spione wie Guise Gefolgsleute.« Er zögerte. »Ich weiß, dass Ihr Coligny sehr schätzt, Madama, aber seine Berufung in den Kronrat ist womöglich keine weise Entscheidung. Fürs Erste akzeptieren die katholischen Fürsten Eure Regentschaft, da sie den Guises nicht mehr trauen, doch wenn bekannt wird, welchen Glauben Coligny angenommen hat, werden sie nicht mehr so fügsam sein.«
In der Stille, die seinen Worten folgte, hörte ich den Wind um die Palastmauern heulen. Birago wusste Bescheid. Meine Gemächer waren Lucrezias Domäne, und sie hatte Coligny mit mir darin verschwinden sehen. Vorwürfe machte ich ihr jedoch nicht. Sie musste um mich besorgt gewesen sein. In ihrem Wunsch, mich zu schützen, hatte sie sich Birago anvertraut, der immerhin mein Berater war.
»Coligny übt beträchtlichen Einfluss auf die Führer der Hugenotten aus«, brachte ich schließlich hervor. »Wir sind bei der Durchsetzung meines Edikts auf ihr Mitwirken angewiesen. «
Birago blickte mich unverwandt an. »Ich verstehe. Dennoch muss ich Euch bitten, Euer Vertrauen nicht in ihn zu setzen, solange er sich dessen nicht als würdig erwiesen hat.«
»Ja«, murmelte ich. »Selbstverständlich. Ich danke Euch für Eure offenen Worte.«
Nachdem Birago sich zurückgezogen hatte, nahm ich Muet und ging in mein Schlafgemach. Während ich mich bettfertig machte, zeichnete ich vor dem geistigen Auge Colignys kräftigen Körper nach, spürte seine in meinem Haar vergrabenen Hände, seinen Mund auf meinen Brüsten …
In dieser Nacht machte ich kein Auge zu.
Weihnachten war eine trübselige Angelegenheit. Mary blieb in ihrer Klausur, während uns ein stummer Trauerzug zur Beisetzung meines Sohnes in der Gruft der Kirche St. Denis begleitete. Danach kehrte ich in den Louvre zurück, um mich in Charles’ Namen um die Regierungsgeschäfte zu kümmern.
Zu meiner Erleichterung nahm Monseigneur, der inzwischen bis auf seinen Sitz im Kronrat aller Macht entkleidet worden war, eine Einladung zur Teilnahme am Heiligen Rat in Rom an, der die Ausbreitung des Ketzertums in Europa erörtern sollte. Während nun der Kardinal hoffentlich monatelang theologische Debatten führen würde und le Balafré im entfernten Joinville Staub aufwirbelte, stand es mir frei, den Hof nach meinem Gutdünken zu gestalten und für Charles eine neue Regierung einzusetzen.
Wie vor ihm François war mein zehnjähriger Sohn mit der Bürde des Amtes als König überfordert. Er bedrängte mich mit tausend Fragen, vor allem darüber, wie weit sich sein bisheriges Leben ändern würde. »Kann ich immer noch mit den Falken auf die Jagd gehen, wenn ich gerade Lust dazu habe?«, wollte er wissen, als wir in seinen mit scharlachroten und goldenen Stoffen ausgekleideten Gemächern standen.
»Natürlich«, antwortete ich. »Aber pass auf deine Finger auf.« Er war gerade dabei, einen neuen Wanderfalken, der vor seinem Bett auf einer Stange hockte, mit Fleischstücken zu füttern. Seine Schwester Elisabeth hatte ihm den Vogel erst kürzlich aus Spanien als Geschenk gesandt.
Ich strich ihm die schwarzen Locken aus der Stirn. »Falknerei und Jagd sind schön und gut,
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