Die florentinische Prinzessin
einen kecken Hut auf.
Mary Stuart erschien mit Umhang und Schleier ganz in der Trauerfarbe Weiß. Auch wenn ihre Zeit der Klausur vorüber war und die Kinder um sie herumtollten, wirkte sie auf mich wie eine verlorene Seele, eingehüllt in Ungewissheit. Mir graute bereits davor, mich mit der heiklen Frage nach ihrer Zukunft zu befassen, doch mir war klar, dass ich mich ihr stellen musste, bevor die Guises mir die Sache aus der Hand nahmen. Also bat ich gleich am nächsten Tag Cosimo Ruggieri in einem Brief um eine astrologische Deutung, in der Hoffnung, in den Sternen Hinweise für die Lösung der anstehenden Probleme zu finden.
Cosimo hatte ich schon länger vernachlässigt. Ich hatte angenommen, er würde auf dem Herrensitz in Chaumont seine übliche Tätigkeit ausüben. Umso schockierter war ich, ihn bei seiner Ankunft derart abgemagert zu sehen. Er wirkte, als hätte er seit Wochen keine richtige Mahlzeit genossen. Sein Gesicht bestand nur noch aus Haut und Knochen, die riesigen schwarzen Augen glühten förmlich darin.
Sobald er mich erkannte, stieß er einen dramatischen Seufzer aus. »Ich habe mein Möglichstes getan, aber leider bin ich nicht der große Nostradamus. Ich kann die Zukunft nicht aus einer Wasserschale herauslesen.«
Ich verkniff es mir, die Augen zu verdrehen. »Hast du etwa Nostradamus hier gesehen? Nun mach schon, hast du die Karte? Was bedeutet sie?«
Ich verfolgte, wie er ein kompliziertes Diagramm aus einem zylinderförmigen Lederbehälter zog, es aufrollte und vor mir ausbreitete. Er zog mit dem Zeigefinger eine Linie nach. »Seht hier: Diese Eklipse im Zeichen des Löwen bedeutet Krieg.«
»Krieg?« Die Gewissheit in seiner Stimme ließ mich erschrocken aufblicken. »Bist du sicher?«
»Ja. Ein Krieg steht bevor. Die Sterne lügen nicht.«
Ich schluckte die Bemerkung hinunter, dass sein Vater anderer Meinung gewesen wäre. Der Maestro hatte erklärt, dass nichts mit Gewissheit für die Zukunft vorhergesagt werden konnte. Und wenn nichts gewiss war, konnten wir doch sicher das Wissen erwerben, mit dessen Hilfe sich Unheil abwenden ließ.
»Sobald du dich ausgeruht hast, musst du nach Chaumont zurückkehren«, sagte ich. »Ich muss wissen, was genau zu diesem Krieg führen wird. Ich brauche Namen, Daten, Orte.« Schon wollte ich ihn hinauswinken, als mir der eigentliche Grund einfiel, warum ich ihn herbefohlen hatte. »Hast du in den Sternen irgendetwas für Mary Stuart entdeckt?«
Er nickte, das eingefallene Gesicht beherrscht von den brennenden schwarzen Augen, die keinen Moment von mir abließen. »Ich habe in ihrer Zukunft eine Hochzeit gesehen, die großes Unglück herbeiführen wird.« Er hielt inne. »Ich nehme an, der Name Don Carlos sagt Euch etwas?«
Ich erstarrte. Don Carlos war der Kronprinz von Spanien, Karl, der Sohn Philipps II.
Am nächsten Tag suchte ich Mary in ihren Gemächern auf. Sie sah besser aus; ihre Wangen hatten mehr Farbe, und ihr Haar zeigte neuen Glanz. Sie hatte sogar ein wenig zugenommen, was auch dringend nötig war.
»Ich wollte mich erkundigen, wie es dir geht, meine Liebe«, sagte ich, nachdem wir einander auf die Wange geküsst hatten. »Die Isolation einer Klausur kann sehr schwer sein, aber du scheinst sie ja ganz gut überstanden zu haben.«
»Sie haben darauf beharrt, dass ich ein Kind in mir tragen könnte.« Sie lächelte. Ohne dass wir es je ausgesprochen hatten, wussten wir beide, dass sie und mein Sohn ihre Verbindung nicht vollzogen hatten. »Außerdem haben sie mir gesagt, dass ich jetzt an den Hof zurückkehren kann. Aber da François tot ist, habe ich das Gefühl, nicht mehr hierherzugehören. «
Lange sagte ich nichts. Mir wurde klar, dass eine große Veränderung stattgefunden hatte: Unsere verwöhnte Königin hatte es mir gleichgetan und als junge Witwe ihr Leben selbst in die Hand genommen. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie anstrengend diese Zeit der Innenschau war, doch ich widerstand der Versuchung, ihr mein Mitgefühl zu bekunden. Ich musste das erledigen, weswegen ich gekommen war, koste es, was es wolle.
»Meine Liebe«, sagte ich sanft, »ich fürchte, ich muss dir eine schlechte Nachricht überbringen. Sie betrifft deine Oheime auf Seiten der Guises … Ich habe Grund zu der Annahme, dass sie sich darum bemühen, dich mit Don Carlos zu verheiraten, dem Erben Philipps von Spanien.«
Sie blinzelte. »Aber der ist doch verrückt! Er ist für das öffentliche Leben nicht geeignet! Jeder weiß das!«
»Ich
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