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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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fürchte, seine mangelnde Vernunft stellt für deine Oheime kein Hindernis dar.«
    In ihren Augen blitzte Zorn auf. »Ich habe gerade erst meinen François verloren. Da können sie von mir doch nicht erwarten, dass ich zustimme!« Ihre Stimme war laut geworden, und wir beide blickten zur Tür, halb in der Erwartung, dass ihre Hofdamen herbeistürzen würden. Als das nicht geschah, fügte sie mit gepresster Stimme hinzu: »Was kann ich tun, um das zu verhindern?«
    Erneut verblüffte sie mich. Bei unserem letzten längeren Gespräch hatte sie mich des Ketzertums bezichtigt. Ich verflocht meine Finger ineinander. »Du bist doch immer noch Königin von Schottland, richtig?«
    Sie nickte, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Jäh erstarrte sie. »Ihr glaubt, ich soll …?«
    So schwer es mir auch fiel, ich stellte mich ihrem Blick. Mit Händen und Füßen hatte ich seinerzeit darum gekämpft, in Frankreich bleiben zu können; um des Überlebens willen hatte ich Komplotte geschmiedet. Dasselbe erwartete ich auch von ihr. Mehr noch: Ich kalkulierte es ein, denn anders als ich hatte sie die Wahl. Wenn sie Don Carlos zurückwies, konnten ihre Oheime sie Charles als Braut anbieten, und dann saß ich in der Falle. Allein schon aus diesem Grund konnte ich es mir nicht leisten, zu schwanken. Es gab keinen anderen Weg.
    »Ich kann mich nicht mehr an Schottland erinnern«, sagte sie zögernd, als spräche sie mit sich selbst oder mit dem in der Zugluft flatternden Vorhang. »Aber es ist mein Reich.« Sie hob die Hand, an deren schmalem, weißem Ringfinger kein Ehereif mehr glänzte. Dann wandte sie sich wieder mir zu. »Vielleicht kann ich in Schottland tatsächlich wieder glücklich sein.«
    Ich hätte weinen mögen, denn ich wusste, dass ihr der Verlust ihres Prinzen ein Loch ins Herz gerissen hatte, das sich nie wieder füllen lassen würde. Trotz all seiner Unzulänglichkeiten hatte François’ Tod das Ende ihrer Unschuld eingeläutet.
    »Das wirst du auch«, versprach ich, »wenn es dein innigster Wunsch ist.«
    Ihr Lächeln brach mir fast das Herz. »Ich habe gehabt, was ich mir ersehnt habe. Jetzt muss ich meine Pflicht erfüllen.«
    Ich schloss sie in meine Arme. Auch wenn wir uns nie wirklich nahe gewesen waren, betete ich für ihre Sicherheit.
    Denn sie hatte recht: Wir beide mussten unsere Pflicht erfüllen. Das war der Preis für unser Privileg, für unsere Rolle als königliche Herrscherinnen. Unsere Länder mussten vor der eigenen Bequemlichkeit, vor persönlichen Hoffnungen und Träumen den Vorrang haben.

    Der Sommer verblasste allmählich und wich dem Herbst.
    Ich war nicht dabei, als Mary ihre Verwandten auf Seiten der Guises über ihre Entscheidung unterrichtete, konnte mir aber lebhaft vorstellen, wie sie schäumten. Was immer nach außen durchsickerte, wurde allerdings hinter einer Maske steifer familiärer Eintracht verborgen, als die schottischen Lords eintrafen, um ihre Königin nach Schottland zu eskortieren.
    Am Tag von Marys Abreise trieben Nebelschwaden über das Land, die die Karren und Kutschen ihrer Entourage verhüllten. Zum Knallen von Peitschen holperte die Gruppe über die Straße nach Calais, wo Galeonen darauf warteten, sie nach Schottland zu tragen.
    Kurz löste sich der Nebel auf, sodass ich sehen konnte, wie sich Mary aus dem Fenster ihrer Kutsche lehnte und die weiß behandschuhte Hand zu einem letzten Lebewohl hob.

23
    Einen Monat später hörte ich wieder von Coligny. In einer kurzen Nachricht bat er mich, ihn in einer kleinen Stadt namens Vassy zu treffen. »Das ist in der Nähe des Sitzes der Guises«, klärte mich Birago auf. »Einen Vier- oder Fünftagesritt östlich von Paris. Warum möchte er ausgerechnet dorthin?«
    »Das weiß ich nicht.« Ich senkte den Blick auf das Papier in meiner Hand, dann schaute ich Birago wieder in die besorgt blickenden Augen. »Aber ohne Zweifel hat er mir etwas Wichtiges mitzuteilen.«
    »Dann soll er hierherkommen. Es ist weder sicher noch klug, ihn dort zu treffen. Was, wenn jemand davon erfährt? Er hat sich immer noch nicht am Hof gezeigt, und viele von unseren Katholiken sind nach wie vor der Meinung, dass er in dieser Affäre Amboise die Hand im Spiel hatte.«
    Ich konnte ihm schlecht sagen, dass Coligny mich bei unserer letzten Begegnung davor gewarnt hatte, mein Leben aufs Spiel zu setzen, und mich darum nie um dieses Treffen gebeten hätte, wenn er nicht von dessen Ungefährlichkeit überzeugt gewesen wäre.
    »Er hatte nichts mit Amboise zu

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