Die Flotte von Charis - 4
Abschrift der Heiligen Schrift entgegen, mit goldenen Spangen und zahlreichen Edelsteinen auf dem Einband. Der Fürst von Emerald berührte den Buchdeckel mit den Lippen, dann legte er die rechte Hand darauf, den Blick weiterhin fest auf Cayleb und Sharleyan gerichtet.
»Ich, Nahrmahn Hanbyl Graim Baytz, schwöre Kaiser Cayleb und Kaiserin Sharleyan von Charis die Treue«, sagte er laut und deutlich, »mit dem Herzen, mit Leib und Seele und mit dem Schwert. Ich gelobe, meine Pflichten zu erfüllen, ihnen gegenüber, der Krone gegenüber und ihren Häusern gegenüber, in jeglicher Weise, wie zu tun Gott mir die Fähigkeit verliehen hat. Ich leiste diesen Eid ohne jegliche geistigen oder moralischen Vorbehalte, und ich beuge mich dem Urteil des Kaisers und der Kaiserin und Gottes selbst über die Treue, mit der ich die Pflichten, die ich nun vor Gott und den hier versammelten Zeugen übernehme, ehren und erfüllen mag.«
Kurz legte sich Schweigen über den Thronsaal. Dann legte Cayleb die Hand auf Nahrmahns eigene, die immer noch auf der Heiligen Schrift lag, und Sharleyan folgte seiner Geste und legte die ihre auf die Hand ihres Gemahls.
»Und wir, Cayleb Zhan Haarahld Bryahn Ahrmahk und Sharleyan Ahdel Alahnah Ahrmahk, nehmen diesen Euren Eid an«, erwiderte Cayleb mit fester Stimme. »Wir werden Euch vor jeglichen Feinden beschützen, wir vergelten die Lehenstreue mit Unserer Treue, vergelten Gerechtigkeit mit Gerechtigkeit und Eidbruch mit Strafe. Möge Gott über uns und unseren Eid urteilen, wie er über Euch und den Euren urteilt.«
Einen schier endlosen Moment lang blickten die drei einander an, und die Stille im Thronsaal schien vollkommen. Dann verzog Cayleb die Lippen zu einem schiefen Grinsen.
»Und nun, Mein Lord, sollten Sie vielleicht aufstehen. Ich glaube, Sie und ich − und Ihre Majestät − haben einiges zu besprechen.« Während Prinz Nahrmahn durch das Fenster der prächtigen Suite, die man ihm und seiner Familie zugewiesen hatte, zu den Wolken aufblickte, die sich hoch über den Styvyn-Bergen im Westen auftürmten und vom Schein des Sonnenuntergangs in Karmesinrot und Gold verwandelt wurden, gingen ihm einige Dinge durch den Kopf. Das war nicht der Tag gewesen, den er früher in Tellesberg zu verbringen erhofft hatte. In gewisser Hinsicht stellte das eine immense Erleichterung dar. Er hatte diesen Konflikt überstanden, und sein Kopf saß immer noch fest auf seinen Schultern − auch wenn seine Macht nun beträchtlich beschnitten war. Und zugleich bestanden nun enge familiäre Bande zu einem Königshaus, das schon bald zu einer der mächtigsten Dynastien in der Geschichte von ganz Safehold zu werden versprach − wenn nicht sogar der mächtigsten. Andererseits war es mindestens ebenso wahrscheinlich, dass besagte Dynastie, mit der er persönlich und das gesamte Vermögen seiner Familie nun unabwendbar verbunden waren, schon bald von einer rachsüchtigen Kirche ausgelöscht wurde. Und, gestand er sich ein, da ist doch noch eine andere Kleinigkeit, die ich mir immer anders vorgestellt hatte. Es war die Frage, wer in seiner Vorstellung hier wem die Treue hatte schwören müssen.
»Ich glaube, irgendwie mag ich die sogar«, sagte eine Stimme hinter ihm, und Nahrmahn wandte sich vom Fenster ab und blickte Ohlyvya an.
»Ich nehme an, du meinst unsere neuen Souveräne?«, fragte er nach und grinste dabei ein wenig schief. Seine Gemahlin stieß ein verächtliches Schnauben aus.
»Nein, ich meinte natürlich die beiden neuen Aushilfsköche!«, gab sie zurück, und er lachte.
»Eine echte Abneigung gegen Cayleb oder auch seinen Vater hatte ich nie, meine Liebe. Sie waren Gegner, und ich gebe auch zu − wenngleich auch ausschließlich dir gegenüber! −, dass mir ihre Hartnäckigkeit, wirklich alles zu überleben, was Hektor und ich auch versucht haben, um sie aus dem Weg zu räumen, gelegentlich doch recht lästig war. Aber für mich war das nie etwas so Persönliches wie für Hektor. Obwohl, um ganz ehrlich zu sein …« Sein Lächeln schwand. »Angesichts meiner Beteiligung an den Versuchen, sie beide aus dem Weg zu räumen, bin ich doch erstaunt, dass Cayleb so wenig Feindseligkeit zu hegen scheint.«
»Ich glaube nicht, dass auch nur einer der beiden Feindseligkeit sonderlich ›hegt‹«, gab seine Frau ernsthaft zurück.
Fragend hob Nahrmahn eine Augenbraue, doch er forderte sie nicht zum Weitersprechen auf, sondern wartete darauf, dass sie ihren Gedanken von sich aus fortsetzte. Ohlyvya
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