Die Flotte von Charis - 4
Baytz war sehr intelligent. Mehr noch, sie war die einzige Person auf der ganzen Welt, der Nahrmahn ohne jegliche Vorbehalte vertraute. Ebenso wie bei Cayleb und Sharleyan hatte man auch zwischen ihnen eine Staatsheirat arrangiert, doch im Laufe der Jahre war deutlich mehr daraus geworden, und Nahrmahn hatte sich schon oft gewünscht, es wäre möglich, Ohlyvya offiziell in seinen Staatsrat aufzunehmen. Bedauerlicherweise kam das überhaupt nicht infrage, doch das hatte ihn nicht davon abgehalten, ihr in den wenigen Situationen, in denen sie ihre Meinung kundtat, sehr aufmerksam zuzuhören.
Und jetzt, dachte er, wo wir eine Kaiserin haben, die zugleich eigenständig die Königin eines Reiches ist, ist es doch wohl deutlich denkbarer geworden, dass ein unbedeutender, kleiner Fürst eine Frau in seinen Staatsrat beruft, oder nicht?
»Ich will damit nicht sagen, dass du dich bei auch nur einem der beiden sonderlicher Beliebtheit erfreust, Schatz«, sprach sie weiter, und der Anflug eines Lächelns huschte ihr über das Gesicht, während sie die Hand ausstreckte und ihrem Gemahl sanft über die Wange strich. »Ich bin mir sicher, dass sie dich, wenn sie erst einmal alle jene Qualitäten entdecken, die du unter diesem scheuen, bescheidenen Äußeren verbirgst, deutlich mehr werden zu schätzen lernen. Aber bis das geschieht, stehen sozusagen noch einige Kleinigkeiten zwischen euch − Attentatsversuche und Kriege und Derartiges.«
»Attentatsversuche?« Nahrmahn gab sein Bestes, sie völlig unschuldig anzublicken … mit bemerkenswert wenig Erfolg.
»Ach, nun sei doch nicht albern, Nahrmahn!«, schalt Ohlyvya ihn. »Trotz all deiner Bemühungen, mich vor der schnöden Wirklichkeit zu ›beschützen‹, habe ich sämtliche Gerüchte über dieses versuchte Attentat auf Cayleb mitbekommen, weißt du? Und obwohl ich dich sowohl als Ehemann wie auch als Vater meiner Kinder liebe, habe ich mich doch nie irgendwelchen Illusionen hingegeben, was die Ernsthaftigkeit dessen betrifft, was du, wenn ich mich recht erinnere, immer ›das große Spiel‹ genannt hast.«
Als Nahrmahn nun die Augen aufriss, geschah das aus echtem Erstaunen. Ohlyvya hatte sich nur selten derart offen ausgedrückt. Und zumindest mit einem von dem, was sie gerade gesagt hatte, lag sie völlig richtig. Er hatte sich tatsächlich bemüht, sie vor den häufig geschmacklosen und unschönen Entscheidungen zu beschützen, zu denen er als Teilnehmer an diesem Spiel nun einmal gezwungen gewesen war.
Sei doch ehrlich, sagte Nahrmahn zu sich selbst. Ja, zu einigen dieser Entscheidungen warst du wirklich ›gezwungen‹, aber der wahre Grund für dich, dieses Spiel zu spielen, war doch, dass du es immens genossen hast. Bedauerlicherweise hast du letztendlich eben doch nicht gewonnen … auch wenn man wohl sagen kann, ›richtig‹ verloren hast du auch nicht.
Irgendetwas aus diesen Gedankengängen musste sich in seiner Miene abgezeichnet haben, denn seine Frau schüttelte den Kopf.
»Ich beklage mich hier nicht, Nahrmahn. Es hat Zeiten gegeben, da war ich ernstlich versucht, mich eben doch zu beklagen, das wohl. Tatsächlich hat es mehr als eine Gelegenheit gegeben, da hätte ich dir am liebsten kräftig in dein Hinterteil getreten. Aber im Großen und Ganzen habe ich mir immer wieder gesagt − und das ganz aufrichtig, ohne mir irgendetwas vorzumachen −, dass die meisten Dinge, die du getan hast, doch immer die Folge der Lage waren, in der du dich jeweils befunden hast. Der Konflikt zwischen Charis und Emerald beispielsweise war wohl wirklich unvermeidbar, wie auch immer du es dir auch gewünscht hast, einfach wegen der geographischen Nähe der beiden Reiche.
Aber …«, fuhr sie dann sehr ernsthaft fort und blickte ihm so in die Augen, dass er deutlich erkennen konnte, wie ernst ihr dieses Gespräch war, »… ich müsste lügen, wenn ich sagen sollte, ich sei nicht darüber erleichtert, wie es letztendlich ausgegangen ist. Ich weiß, dass unsere Eltern niemals damit gerechnet haben, Nahrmahn, aber ich liebe dich wirklich, weißt du? Und ich liebe unsere Kinder. Dadurch, dass Cayleb nicht deinen Kopf fordert oder die Jungs nicht als eine Bedrohung ansieht, um die man sich … kümmern müsse, fällt mir ein gewaltiger Stein vom Herzen.«
Nahrmahn hob die linke Hand und bedeckte damit sanft die seiner Frau, die ihm mit ihrem Finger immer noch über die Wange strich. Die rechte legte er ihr ebenso sanft in den Nacken und zog sie dann zärtlich zu sich
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