Die Flotte von Charis - 4
Nahrmahn dachte darüber nach, wie sehr sich dieser Thronsaal − oder zumindest die Personen, die sich im Moment darin aufhielten − doch verändert hatten, als sie schließlich gemeinsam vor den beiden Thronen stehen blieben. Cayleb trug die Staatskrone des Königreiches Charis − die kürzlich auch zur Staatskrone des Kaiserreiches Charis geworden war −, während Sharleyan eine nur geringfügig kleinere Krone angelegt hatte, der jedoch eben jene Rubine fehlten, die die Staatskrone als solche auszeichneten. Doch trotz der Staatskronen hatte keiner der beiden die vollen Insignien ihres Amtes angelegt, und dafür war Nahrmahn immens dankbar − auch wenn er sorgsam darauf achtete, sich das nicht anmerken zu lassen. In der offiziellen Amtstracht wirkte Ohlyvya stets stattlich und wunderschön; Nahrmahn selbst fühlte sich darin stets wie eine Pelzkugel, der irgendwie ein Kopf und Füße gewachsen waren.
Kleine Stummelfüße.
Ist wohl gut so, dass ich mich bereits entschieden hatte, das hier wirklich zu tun, bevor ich Cayleb zum ersten Mal im Leben von Angesicht zu Angesicht erlebe, dachte der Fürst von Emerald fast schon belustigt. Hätte ich schon vorher selbst gesehen, wie hochgewachsen, breitschultrig und entsetzlich gut aussehend er ist und mich dann in anständige Eifersucht hineingesteigert, dann hätte ich das hier vielleicht nicht mehr zu tun gewagt. Es ist viel weniger ärgerlich, einfach den Kopf abgeschlagen zu bekommen, als tatsächlich zugeben müssen, dass der Mann, dem gegenüber man kapituliert hat, ungleich mehr wie ein König aussieht als man selbst.
Als er diesen Gedanken beendet hatte, war er vor den beiden Thronen angekommen, und nun verneigte er sich tief, während Ohlyvya einen formvollendeten Hofknicks vollführte.
»Eure Majestäten«, murmelte er.
»Wisst Ihr, Prinz Nahrmahn«, gab Cayleb trocken zurück, »wir haben uns zu einer geringfügigen Änderung des Protokolls entschlossen. Da meine Frau und ich …« − Nahrmahn fragte sich, ob Cayleb selbst bewusst war, mit welcher stolzen Befriedigung er den Ausdruck ›meine Frau‹ ausgesprochen hatte − »… nun einmal beides eigenständige Staatsoberhäupter sind, und da somit immer die Gefahr besteht, dass es zu Verwechselungen kommt − vor allem, wenn man das Protokoll ein wenig schleifen lässt und statt ›Euer Majestät‹ und ›Eure Majestät‹ immer nur ›Majestät‹ sagt, sind wir zu dem Schluss gekommen, in Abwesenheit des jeweils anderen sei die Anrede ›Majestät‹ eben durchaus zulässig, aber sobald wir beide zugegen sind, gilt in Charis ab sofort ein neues Protokoll: Die richtige Anrede für mich lautet weiterhin ›Majestät‹, während meine Frau als ›Durchlaucht‹ anzusprechen ist. In Chisholm, wo wir ja die andere Hälfte eines jeden Jahres residieren werden, kehrt sich das genau um: Dort ist sie als ›Majestät‹ anzusprechen, während meine korrekte Anrede eben ›Durchlaucht‹ lautet.«
»Ich verstehe, Euer Majestät.« Nahrmahn spürte, wie seine Lippen sich beinahe unwillkürlich zu einem Lächeln verzogen hätten − beinahe. »Ich vermag sehr wohl zu verstehen, dass dies durchaus zu Verwirrung hätte führen können. Natürlich bin ich mir recht sicher: Sobald die Nachricht Eurer Ehelichung − ganz zu schweigen von Eurer Krönung zum Kaiser − Zion erreicht, wird die dortige Reaktion sich nicht mit dem Wort ›Verwirrung‹ beschreiben lassen.«
»Das steht zu hoffen«, gab Cayleb zurück, dann lehnte er sich auf seinem Thron zurück und neigte den Kopf zur Seite. »Und wo wir schon darüber sprechen, was passiert, wenn gewisse Nachrichten Zion erreichen: Ich bin mir sicher, man wird dort auch durchaus verstört auf die Kunde reagieren, dass Ihr hier eingetroffen seid − und auch, was der Grund für diesen Besuch ist. Darf ich annehmen, Eure Abmachungen mit Commodore Zhaztro und Herzog Solomon haben gegen jegliche Reaktionen seitens Bischof-Vollstreckers Wyllys in ausreichendem Maße Euer … Hinterteil gesichert, wenn ich das so sagen darf?«
Mit Mühe gelang es Nahrmahn, weder erstaunt zu blinzeln noch seinen Gastgeber sprachlos mit weit offenem Mund anzustarren. Und sofort rief er sich ins Gedächtnis zurück, dass Caylebs Bemerkung nicht notwendigerweise darauf schließen ließ, der König von Charis habe irgendetwas über Nahrmahns eigene Aktivitäten der jüngsten Zeit in Erfahrung gebracht. Für jemanden, der so helle im Köpfchen war wie Cayleb, konnte es nicht allzu schwer sein
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