Die Flotte von Charis - 4
Erayk«, merkte Hysin trocken an, und einige der Vikare und Bischöfe in den Bänken der Kirche lachten leise in sich hinein.
»Also gut«, sagte Samyl Wylsynn, als schließlich wieder Ruhe eingekehrt war. »Wir sind alle wieder auf dem neuesten Stand, und wir hatten die Gelegenheit, unsere derzeitige Sicht bezüglich des Schismas darzulegen − und auch bezüglich der ›Vierer-Gruppe‹. Ich glaube nicht, dass wir schon in der Lage sind, uns neue Vorgehensweisen oder Strategien zurechtzulegen. Zumindest so lange nicht, bis wir eine Gelegenheit hatten abzuschätzen, wie sich die Berichte der ›Vierer-Gruppe‹ über die Ereignisse in Ferayd, Charis und Emerald anlassen, wenn sie erst dem restlichen Rat vorgelegt werden. Bis dahin denke ich, werden wir alle uns in Gebet und Meditationen versenken, in der Hoffnung, dass Gott uns den wahren Weg zeigen wird.«
Ernsthaftes, feierliches Nicken war die Antwort, und Vikar Samyl Wylsynn lächelte deutlich offener und herzlicher als jeder andere, seit sie hier zusammengetroffen waren.
»Dann, Brüder …«, sagte er. »Wollt ihr euch mir nicht zu einem Gebet anschließen, bevor wir alle wieder hinausgehen und Wind und Regen trotzen?«
.V.
Ausbildungsgelände der Armee und die Kathedrale von Manchyr, Herzogtum Manchyr, Königreich Corisande
Der Fernsensor der SNARC saß auf der rechten Schulter Hektors von Corisande, und von dort aus lieferte er Merlin unter anderem höchst detailliertes Bildmaterial der Haare im Ohr des Prinzen. Es gab Zeiten − sehr häufig sogar −, in denen Merlin ernstlich versucht war, den Selbstzerstörungsmechanismus der Sonde dazu zu nutzen, Hektor ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Die Fernsonden waren eigens darauf ausgelegt, im Verbund mit ihren ›Geschwistern‹ mit Hilfe von Brandsätzen und gerichteten Sprengladungen zur Selbstzerstörung Zielobjekte in gegnerischen Anlagen zu zerstören. Es wäre Merlin nicht im Mindesten schwergefallen, sie tief in den Gehörgang des Corisandianers eindringen zu lassen und ihn dann mit Hilfe eben dieses Mechanismus im Schlaf einfach zu eliminieren.
Bedauerlicherweise würde er nicht verbergen können, was er getan hatte, und selbst wenn die Heiler von Safehold die Lehren aus dem Buch Pasquale lediglich in- und auswendig kannten, statt es tatsächlich wissenschaftlich verstanden zu haben, wäre eine mit Brennwirkung einhergehende Sprengladung − stark genug, um sich sogar durch getemperten Stahl zu brennen − doch zu auffällig, als dass es ihnen bei einer Autopsie entgehen könnte. Die Fragen, die das aufwerfen würde − und auch die Tatsache, dass es unausweichlich zu der Behauptung führen müsse, die Charisianer hätten das mithilfe der schwarzen Künste ihrer wahren Herrin bewirkt (was der Wahrheit beunruhigend nahe käme!) −, gestatteten es nicht einmal, es auch nur in Erwägung zu ziehen.
Schlimm genug, dass jeder Einzelne in ganz Corisande schon jetzt felsenfest davon überzeugt ist, wir hätten bereits einmal versucht, ihn zu ermorden, ging es Merlin durch den Kopf, während er das ›Blickfeld‹ des Sensors fort vom haarigen Ohrläppchen des Prinzen schwenkte und es stattdessen auf den grasbewachsenen Hügel richtete, auf dem Hektor, seine Tochter und Graf Coris zusammen mit Graf Anvil Rock gemeinsam auf den Rücken ihrer Pferde saßen. Es würde gewiss nicht weiterhelfen, wenn man uns nun auch noch der Hexerei bezichtigte.
Der Gedanke ließ ihn lächeln, doch seine Belustigung legte sich sofort wieder, als er über das nachdachte, was Hektor sich anzuschauen hierhergekommen war.
In Manchyr war es sechs Stunden früher als in Tellesberg. Auch wenn es noch mehrere Stunden dauerte, bis auch über Caylebs Hauptstadt die Sonne aufging, war der Morgen in Corisande schon recht weit fortgeschritten, und die Truppen, die man hierher abgestellt hatte, um Hektor die neuen Waffensysteme vorzuführen, hatten bereits fast eine Stunde auf ihn und die Prinzessin gewartet.
»Also gut, Rysel«, sagte Hektor gerade. »Ihre Berichte waren ja durchaus interessant. Ich freue mich darauf, die Kanonen selbst sehen zu können.«
»Ich glaube nicht, dass Ihr enttäuscht sein werdet, Mein Prinz«, erwiderte Anvil Rock.
»Damit rechne ich auch nicht«, versicherte Hektor dem Grafen.
Anvil Rock grinste ihn an, dann nickte er dem jugendlichen Offizier zu, der neben ihm stand. Der junge Mann griff nach einer Flagge, die vor ihm im Gras lag, und schwenkte sie hoch über dem Kopf. Ein weiterer Soldat,
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