Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flotte von Charis - 4

Die Flotte von Charis - 4

Titel: Die Flotte von Charis - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
freien Stücken in den Schoß von Mutter Kirche zurückkehren werden, welche anderen Möglichkeiten, als sie mit aller Macht zu dieser Rückkehr zu zwingen, bleiben uns als Vikare von Gottes Kirche überhaupt noch?«
    »Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob es überhaupt der richtige Weg ist, sie zur Rückkehr zu zwingen, egal auf welche Art und Weise man das zu bewirken versucht«, erwiderte Wylsynn und stellte sich damit geradewegs dem Kern der Frage. »Bei allem Respekt vor den Traditionen von Mutter Kirche, vielleicht ist es an der Zeit zu akzeptieren, dass das Volk von Charis nicht länger bereit ist hinzunehmen, ihre eigene Kirche einer Fremdherrschaft unterwerfen zu müssen.«
    Er betrachtete die besorgten Mienen seiner Kollegen und fragte sich, wie viele von ihnen das Gleiche denken mochten wie er. Die ›Traditionen‹ der Kirche spiegelten nicht immer die historischen Wahrheiten gänzlich wider. Das war einer der Faktoren, der es so gefährlich gemacht hatte, Maikel Staynair zum Erzbischof von Charis zu ernennen − und auch seine Schreiben an den Tempel. Es lag immense Ironie darin, dass der aufrührerische Erzbischof sich dafür entschieden hatte, einen Großteil seiner Argumente auf Großvikar Tohmys’ Lehrschrift Über Gehorsam und Glauben fußen zu lassen. Der eigentliche Sinn und Zweck dieser Lehrschrift war damals gewesen, den Grundsatz der Unfehlbarkeit des Großvikars zu etablieren, wann immer er etwas im Namen Gottes verkündete. Und das war, wie unter anderem Wylsynn sehr wohl wusste, eine neue und gänzlich andere Festlegung der kirchlichen Lehre, die mit dem Argument ›notwendiger‹ Veränderungen begründet worden war. Und die gleiche Lehrschrift hatte dafür gesorgt, dass die Ernennung der Bischöfe und Erzbischöfe nicht mehr auf der Ebene der Erzdiözesen erfolgte, sondern nunmehr dem Vikariat selbst oblag.
    Das war im Jahr 407 geschehen, und in den seitdem vergangenen fünf Jahrhunderten hatte sich die Kirchentradition eingeschlichen, es sei schon immer so gewesen. Tatsächlich glaubten die meisten das auch − einschließlich vieler Angehöriger des Klerus’ selbst, die es doch eigentlich hätten besser wissen sollen. Und genau das machte die Tatsache, dass Staynair sich ausgerechnet auf eben jene Lehrschrift berufen hatte, die eine Veränderung des kanonischen Rechts gestattete, so die Umstände dies erforderten, so verwünschenswert ironisch … und so gefährlich. Wenn die Kirche nun die Autorität der Lehrschrift Tohmys’ im Falle von Charis bestritt, so sprach sie dieser Lehrschrift jegliche Autorität ab. In allen Fällen, einschließlich der Autorität, die das Vikariat überhaupt erst zum unbestrittenen Oberhaupt der ganzen Kirche gemacht hatte.
    Aus Wylsynns Blickwinkel wäre das höchstwahrscheinlich sogar sehr gut. Aus dem Blickwinkel der ›Vierer-Gruppe‹ und derer, die ähnlich dachten wie sie, war das ein schlichtweg unerträgliches, undenkbares Gräuel.
    »Ihr alle wisst, das mein Sohn Dynnys als Intendant gedient hat«, sprach er weiter. »Tatsächlich hat er von Anfang an verstanden, warum ich Clyntahn sogar dabei behilflich war, sein ›Exil‹ nach Tellesberg zu organisieren, statt mich dem entgegenzustellen. Einen Großteil seiner privaten Schreiben an mich habe ich den anderen Mitgliedern des ›Kreises‹ zu lesen gegeben. Er ist davon überzeugt − und ich habe tiefstes Vertrauen in sein Urteilsvermögen −, dass die Charisianer, was immer sie sonst auch sein mögen, mitnichten Diener Shan-weis sind und dass ihre allgemeine Feindseligkeit Mutter Kirche gegenüber sich vor allem gegen deren Hierarchie richtet − gegen die ›Vierer-Gruppe‹ … und gegen den Rest des Vikariats, weil es uns allen eben nicht gelungen ist, Leuten wie Clyntahn Einhalt zu gebieten. Also glaube ich, wir müssen uns selbst eine äußerst grundlegende Frage stellen, Brüder: Was ist wichtiger? Die äußerliche Einheit von Mutter Kirche, mit Schwertern und Piken gegen den Willen von Gottes Kindern erzwungen? Oder die fortwährende, freudige Gemeinschaft eben jener Kinder mit Gott und den Erzengeln, auch wenn das einer anderen Hierarchie unterliegen mag als unserer eigenen? Wenn der einzige Punkt, an denen sich die Lehren hier im Widerspruch befinden, nur in der Unfehlbarkeit des Großvikars und der übergeordneten Autorität seines Vikariats liegt, ist es dann nicht vielleicht an der Zeit, unsere Brüder und Schwestern in Charis wissen zu lassen, dass sie immer noch unsere Brüder

Weitere Kostenlose Bücher