Die Flotte von Charis - 4
… und die drei delferahkanischen Kriegsgaleeren, die noch mehr oder minder intakt waren und voller Verzweiflung versuchten, die Flucht der Handelsschiffe zu sichern.
Mut haben sie ja, diese Captains, gestand Shaikyr sich selbst gegenüber ein, während er die noch verbliebenen Galeeren mit finsteren Blicken bedachte. Die haben schon gesehen, was dem Rest der Geleitschiffe passiert ist, und versuchen trotzdem immer noch, uns abzuwehren.
Wenn sie das gewollt hätten, so hätten diese Galeeren angesichts der derzeit vorherrschenden moderaten Windverhältnisse mit Leichtigkeit Fersengeld geben und die meisten der angreifenden charisianischen Freibeuter weit hinter sich lassen können. Einige der schnelleren Schoner, wie die Faust von Charis, hätten sie noch erwischen können, doch die größeren, schwereren Galeonen wie die Raptor hätten sich nicht einmal erträumen können, sie jemals einzuholen.
Glücklicherweise waren die delferahkanischen Galeonen, denen das eigentliche Interesse der Freibeuter galt, deutlich langsamer und konnten viel weniger hoch am Wind segeln als die Raptor oder die anderen drei Galeonen unter Shaikyrs Oberkommando. Mit ihren altmodischen Segelrissen und den hoch aufragenden Freiborden hätten die Galeonen aus Delferahk für die Galeeren genauso gut Treibanker sein können. Keine Tapferkeit der Welt konnte jetzt noch verhindern, was diesem Geleitzug widerfahren würde, und das mussten die Captains der Galeeren auch wissen − und dennoch hielten sie störrisch weiterhin ihre Position zwischen den Freibeutern und deren Beute.
Die Warhammer, die vorderste Galeone von Shaikyrs ›Geschwader‹, war der hintersten dieser Galeeren schon nahe genug, um mit den Buggeschützen das Feuer auf sie zu eröffnen. In zwanzig oder dreißig Minuten würde sie auch auf die Galeonen schießen können. Und die Schoner Windcrest und Sea Kiss hatten die Handelsschiffe bereits überholt und hielten sich nun weit luvseitig der Geleit-Galeeren, fernab von ihrer Reichweite. Inzwischen hatte die Windcrest sogar schon einen neuen Kurs angelegt und machte sich daran, die vorderste der delferahkanischen Galeonen abzufangen − und die Galeeren konnten nicht das Geringste dagegen unternehmen.
Der Anblick, ging es Shaikyr durch den Kopf, würde ein wunderbares Gemälde abgeben. Auch wenn er nie eine Ausbildung in Malerei hatte genießen dürfen, so hatte er doch eine gewisse Leidenschaft für Ölfarben und Leinwand entwickelt, und im Hinterkopf prägte er sich alle Details ein, um sie irgendwann in der Zukunft einmal nutzen zu können. Das Grün des Meerwassers, das in Richtung des Horizonts immer mehr in ein dunkles Kobaltblau überging. Die weißen Wolken, hoch am Himmel, die wie unendlich weit aufgetürmte, unfassbar gewaltige Galeonen über einen noch viel tiefer blauen Ozean hinwegzogen. Das Sonnenlicht schimmerte auf dem grünblauen Wasser, strich beinahe zärtlich über die schmutzig-grauen Fetzen des Pulverdampfes, glitzerte auf Helmen, Piken, Schwertern und Enterbeilen. Das komplizierte Muster aus verwittertem Segeltuch, Wanten und Windschatten, und die langen Spinnenbeine der Galeeren, die das Meer zum Schäumen brachten, als die Ruderer sich mit aller Kraft in die Riemen legten. Die schiere Bildgewalt derartiger Augenblicke rührte irgendetwas tief in Larys Shaikyrs Inneren an.
Doch wie spektakulär der Anblick auch sein mochte, es galt auch praktische Dinge zu bedenken, und er lächelte mit eisiger Befriedigung, als die ersten Kanonenkugeln der Warhammer die sehr viel leichter gebaute Galeere trafen. Selbst ohne sein Fernglas konnte er erkennen, wie bei den Rudern an Steuerbord plötzlich völlige Verwirrung entstand, als die charisianischen Kugeln über das Ruderdeck des Schiffes hinwegfegten. Das Krachen der Artillerie an Bord der Galeonen übertönte das ferne Donnergrollen der Kanonen der Windcrest, doch die schweren Wolken aus Pulverdampf, die plötzlich über dem Schoner aufquollen, verrieten ihm, das auch sie ihr Ziel zumindest weit genug erreicht hatten, um zumindest treffen zu können.
Oder vielleicht auch nicht, sagte er sich. Wir wollen ja nicht mehr Porzellan zerschlagen, als unbedingt nötig ist, also möchte er den Gegnern vielleicht nur mitteilen, dass es an der Zeit ist beizudrehen, bevor sie wirklich in Reichweite kommen.
Lairys Shakyr sollte das nur recht sein. Er war über das Ferayd-Massaker ebenso erzürnt wie jeder andere, doch zugleich war er auch ein pragmatisch denkender
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