Die Flotte von Charis - 4
nun einmal, wie Seamount gerade erst beklagt hatte, sowohl sehr teuer als auch zu weich, um den Materialbelastungen widerstehen zu können, die sich unweigerlich ergaben, wenn man Züge in die Geschützrohre einarbeitete. Gusseisen war relativ preiswert, und die Gießereitechniken für den Umgang damit waren längst bekannt. Doch selbst wenn man das Sandgussverfahren anwendete, um die Porosität des Materials zu minimieren, waren Geschütze aus Gusseisen immer noch deutlich brüchiger als solche aus Bronze, und bei der Materialbelastung, die Seamount aufgrund des gesteigerten Innendrucks erwartete, war es sehr viel wahrscheinlicher, dass sie rissen oder barsten. Damit blieb nur noch Schmiedeeisen übrig. Wenn Ehdwyrd Howsmyn sagte, seine Gießereien könnten tatsächlich die erforderlichen Geschütze auch aus Schmiedeeisen rechtzeitig liefern, dann zweifelte Merlin daran keinen Augenblick, doch Seamount hatte vollkommen recht: Billig würde das nicht werden.
»Also gut«, sagte er schließlich. »Ich hätte da einige Gedanken anzumerken.
Erstens geht es um die bereits bestehenden Geschütze und den Innendruck, der sich aufbaut. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann können wir, wenn wir bereit sind, eine geringere Mündungsgeschwindigkeit hinzunehmen, den Druck so weit im Rahmen halten, dass auch die bereits existierenden Rohre ihm Stand halten können, selbst mit dem größeren Gewicht dieser neuen ›Granaten‹. Ist das so weit richtig?«
Seamount nickte, und Merlin zuckte mit den Schultern.
»Warum fragen Sie dann Meister Howsmyn nicht, ob es möglich wäre, aus Schmiedeeisen ein relativ dünnwandiges Rohr mit Zügen anzufertigen, praktisch wie eine Innenauskleidung für eines der bereits fertiggestellten Glattrohre? Ich habe mir Folgendes gedacht: Wenn wir das dorthinein schieben und es dann an der Mündung fixieren, vielleicht indem man ein Gewinde in die Außenseite der Mündung schneidet und das obere Ende der Auskleidung regelrecht festschraubt und dann eine ziemlich leistungsstarke Ladung abfeuern lässt, müsste das dann nicht dazu führen, dass sich diese Innenauskleidung ausdehnt und sich praktisch dauerhaft mit dem Rohr selbst verbindet? Und diese Auskleidung würde die Bronze des Rohres selbst doch vor dem Ausbrennen schützen, oder nicht?«
»Ich … weiß es nicht«, gab Seamount bedächtig zurück. »Es klingt so, als könnte das wirklich sinnvoll sein. Auf jeden Fall lohnt es sich, Howsmyn darauf anzusprechen.«
Erneut klapperte die Kreide, als der Baron sich weitere Notizen machte. Dann trat er einen Schritt von seiner ›Tafel‹ zurück und betrachtete sie nachdenklich, die Stirn in tiefe Falten gelegt.
»Die Ausmaße der bereits fertigen Rohre würden sowohl das Gewicht als auch die Geschwindigkeit der Projektile beschränken«, sagte er. »Damit habt Ihr recht. Aber ich denke, wir haben noch einen hinreichend großen Spielraum, um auch schwerere Projektile zum Einsatz zu bringen, als diese Geschütze derzeit verschießen. Und alleine schon der Gewinn an Präzision − ganz zu schweigen davon, dass man eben auch Explosivgeschosse abfeuern könnte! − würde diese ganze Idee bereits lohnenswert machen, wenn wir uns irgendwie überlegen können, wie sich das auch praktisch bewerkstelligen lässt.«
»Das habe ich mir auch gedacht«, pflichtete Merlin ihm bei. »Andererseits ist mir noch ein anderer Gedanke gekommen, als Sie darüber sprachen, warum Schmiedeeisen besser sei als Gusseisen.«
»Ach ja?« Seamount wandte sich von seiner Schiefertafel ab und hob neugierig die Augenbrauen.
»Ja. Sie hatten gesagt, Gusseisen sei zu spröde, um dem Druck standzuhalten, den Sie erwarten.«
Seamount nickte, und in seiner Geste lag deutliche Ungeduld. Merlin zuckte mit den Schultern.
»Na, mir kam der Gedanke, dass Sie zwar durchaus recht haben. Schmiedeeisen ist deutlich weniger spröde, aber das ist vielleicht nicht die einzige Möglichkeit, die Stabilität zu erhalten, um die es Ihnen hier geht.«
Seamount blickte ihn verdutzt an, und Merlin vollführte eine Handbewegung, als versuche er, die Worte, nach denen er hier sichtlich suchte, regelrecht aus der Luft herauszufischen.
»Was ich damit sagen will, ist: Sie denken an massives Metall, dass robust genug ist, um auch den Treibladungen widerstehen zu können, die bei diesen neuen Artilleriegeschützen mit gezogenem Lauf zum Einsatz kommen sollen.«
»Natürlich! Ihr wollt mir doch jetzt wohl nicht vorschlagen, wir sollen die aus
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