Die Flotte von Charis - 4
Mut und Entschlossenheit unter Beweis gestellt, aber Emerald ist uns schlichtweg schutzlos ausgeliefert. Wir haben Ihre küstennahen Festungen besiegt, wann und wo immer es uns beliebte. Über sämtliche Ihrer wichtigeren Häfen wurde eine Blockade errichtet, und wir sind − wie wir, so glaube ich, bereits deutlich gezeigt haben − in der Lage, jederzeit Stoßtrupps an Land zu bringen, die sämtliche kleineren Häfen niederbrennen können, vor allem natürlich die Häfen, die Commodore Zhaztro dazu nutzen mag, seine Freibeuter auszustatten. Und wir können jederzeit eine Armee an Land bringen, wann wir wollen, und wo wir wollen.«
Pine Hollows Blick war deutlich die Überraschung darüber anzusehen, dass Cayleb Zhaztro namentlich erwähnte. Ganz offensichtlich war ihm das Ausmaß, in dem Cayleb über die Vorgänge in Emerald Bescheid wusste, alles andere als genehm.
Ach, wenn Sie nur wüssten, Mein Lord, dachte Cayleb sardonisch.
»Das alles mag sehr wohl die Wahrheit sein, Euer Majestät«, gab der emeraldianische Graf nach kurzem Schweigen zurück. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er, »wollen wir doch ehrlich sein. Es ist die Wahrheit. Und doch ist es ebenso wahr, dass − so unabwendbar Euer Sieg über meinen Prinzen letztendlich auch sein mag − dieser Sieg sich für Euch als äußerst kostspielig herausstellen mag. Und damit sind nicht nur Verluste an Soldaten und Geld gemeint, sondern auch an Zeit. Trotz all Eurer derzeitigen Vorteile, zu denen mir mein Prinz Euch wissen zu lassen aufgetragen hat, er erkenne sie voll und ganz als solche an, habt Ihr doch eine Vielzahl Feinde und keinerlei Freunde. Zumindest keine Freunde, die Euch offen unterstützen. Prinz Nahrmahn bezweifelt nicht, dass Ihr den Ausbau Eures Militärs weiter vorangetrieben und dabei sogar noch beschleunigt habt. Und gleichzeitig ist ihm durchaus bewusst − ebenso wie auch gewiss Euch −, dass Eure zahlreichen Feinde derzeit genau das Gleiche tun. Wenn Ihr gezwungen seid, wertvolle Zeit darauf zu verwenden, Emerald durch Waffengewalt zu erobern, so werdet Ihr möglicherweise feststellen müssen, dass Ihr mit genau diesem Handeln Euren deutlich gefährlicheren Gegnern die Zeit eingeräumt habt, die diese benötigen, um den nächsten, unvermeidbaren Schritt in Eurem Konflikt vorzubereiten.«
»Selbst wenn wir − vorerst − von der Richtigkeit Ihrer Analyse der Lage ausgehen, Mein Lord«, gab Cayleb mit einem äußerst unangenehmen Lächeln zurück, »werden die Konsequenzen dennoch für das Haus Baytz deutlich … weniger angenehm sein als für Charis.«
»Auch dessen, das darf ich Euch versichern, ist sich mein Prinz voll und ganz bewusst, Euer Majestät.«
»Das hatte ich mir schon gedacht.« Cayleb lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander, neigte den Kopf ein wenig zur Seite und blickte Pine Hollow nachdenklich an.
»Andererseits muss ich zugeben, dass Sie meine Neugier geweckt haben«, sagte er. »Was auch immer man über Prinz Nahrmahn sonst auch sagen kann, ich halte ihn weder für taub noch für blind noch für dumm. Und ich halte es für nicht sonderlich wahrscheinlich, dass ihm völlig unbekannt sein soll, wer in Wahrheit hinter dem ›Marschbefehl‹ für seine Flotte gesteckt hat, was auch immer die ›Ritter der Tempel-Lande‹ vorzuspiegeln belieben mögen. Ich muss davon ausgehen, dass ihm ebenso bewusst ist wie jedem von uns hier in Charis, wer der wahre Feind ist. Und das bringt mich doch zu der Frage, warum er willens sein soll, sich den Zorn des Großinquisitors und der ›Vierer-Gruppe‹ zuzuziehen, indem er es wagt, uns überhaupt einen offiziellen Abgesandten zu schicken.«
Misstrauisch blickte er Pine Hollow an, und der Emeraldianer zuckte mit den Schultern.
»Euer Majestät, vielleicht darf ich sagen, dass ein Mann, der sich entscheiden muss, ob er nun gegen den Kraken in seiner Badewanne kämpft oder gegen den Todeswal, der jenseits der Mole vor seinem Hafen lauert, wohl eher geneigt sein wird, sich zunächst dem Kraken zuzuwenden. Genau diese Überlegung hatte sich auch meinem Prinzen aufgedrängt. Aber das ist nicht die einzige Überlegung, die ihn dazu bewogen hat, mich zu Euch zu senden. Ich habe ein persönliches Schreiben von ihm bei mir, in dem er seine eigene Analyse der aktuellen Lage für Euch zusammenfasst. Ich glaube, Ihr werdet darin eine interessante Lektüre sehen.«
»Das glaube ich wohl.« Cayleb lächelte dünn. »Darf ich auch davon ausgehen, dass er in diesem
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