Die Flotte von Charis - 4
genau wir unternehmen sollen, falls mehr als einer oder zwei gleichzeitig auftauchen.
In unwilliger, fast schon ironischer Belustigung schnaubte er, dann riss er sich zusammen. Wenigstens sollte noch genügend Zeit bleiben, die Männer eine Mahlzeit einnehmen zu lassen, bevor irgendetwas Aufregendes passierte. »Irgendeine Spur? Von irgendjemandem?«, fragte Hairys Fyshyr, als er wieder an Deck kam und sich noch die letzten Krümel von seinem Kasack schüttelte.
»Nur das eine Schiff, Sir«, erwiderte Edwyrds. Der Erste Offizier wirkte abgespannt und erschöpft − was nach einer solchen Nacht wohl auch nicht verwunderlich ist, dachte Fyshyr. Alle an Bord hatten erschreckend wenig Schlaf gefunden, und trotz des stetig auffrischenden Windes erreichte der kleine Konvoi der Kraken eine Höchstgeschwindigkeit von kaum mehr als acht oder neun Knoten. Selbst diese Geschwindigkeit hatte schon mehr Segelfläche erfordert, als die meisten Handelssegler normalerweise bei Nacht zu riskieren bereit waren. Doch angesichts der Möglichkeit, dass die Galeeren, die sie am Morgen den Hafen hatten verlassen sehen, hier irgendwo lauerten, um sich auf etwaige flüchtende Schiffe zu stürzen, hatte keiner der anderen Skipper Protest erhoben, als Fyshyr darauf bestanden hatte, höchstmögliche Fahrt aufzunehmen.
»Nur das eine Schiff«, wiederholte Fyshyr und hörte, wie rau sich seine eigene Stimme anhörte. Außer der Kraken hatten sich siebenundzwanzig charisianische Handelsschiffe in Ferayd befunden. Von diesen insgesamt achtundzwanzig war es nur zehn Schiffen − also kaum mehr als einem Drittel − gelungen zu entkommen … bislang zumindest.
Und ich glaube nicht, dass auch nur eines der anderen Schiffe es ohne uns geschafft hätte, dachte er verbittert. Was mag wohl an anderen Orten geschehen sein?
Er war sich recht sicher, dass ihm die Antwort auf diese Frage nicht im Mindesten gefallen würde − wenn er sie denn endlich erhielte. Falls nicht König Zhames von Delferahk im Alleingang verrückt geworden war, dann musste dieser Angriff das Werk von Clyntahn und der ›Vierer-Gruppe‹ sein. In den Berichten, die er von den Überlebenden erhalten hatte, die die Kraken aus dem Hafenbecken hatte retten können, war immer wieder betont worden, dass die Angreifer ständig ›Ketzer‹ geschrien hatten. Und sie hatten auch unmissverständlich klargemacht, dass die Delferahkaner keinerlei Unterschied gemacht hatten zwischen Männern, Frauen und Kindern. Fyshyr mochte sich kaum vorstellen, wie das Königreich Charis darauf reagieren würde, sobald es davon erfuhr, doch er wusste bereits jetzt, dass alles, was er sich vorstellen konnte, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit gemein haben würde.
Doch wichtiger war im Augenblick etwas anderes. Der einzige Grund, dass überhaupt irgendjemand aus Ferayd hatte entkommen können, war, dass niemand in Delferahk begriffen hatte, dass die Kraken zu einem Freibeuter umgebaut worden war. Und das bedeutete, dass die Wahrscheinlichkeit, irgendjemand habe aus einem der anderen Häfen entkommen können, in denen sich zweifellos vergleichbare Szenen abgespielt haben mussten, äußerst gering war.
Und wenn ich das hier geplant hätte …
»Die werden einen Vorposten an der Mündung des Kanals aufgestellt haben«, sagte er laut.
»Jawohl, Sir«, stimmte Edwyrds ihm zu. »Entweder dort oder ein wenig weiter südlich, im Kanal selbst.«
»Vielleicht auch beides.« Mit beiden Händen stützte sich Fyshyr auf das Schanzkleid und trommelte unruhig mit den Fingern, während er zu den anderen Galeonen hinüberblickte, die der Kraken folgten und sich immer deutlicher vor dem grauen Himmel des anbrechenden Morgens abzeichneten.
»Genau so würde ich hier vorgehen«, ergänzte Edwyrds und nickte. »Andererseits, Sir, hatten sie nicht allzu viele Galeeren im Hafen, als das Ganze hier losging. Wie viele Vorposten können die wohl aufgestellt haben?«
Nun war es an Fyshyr zu nicken. Edwyrds Frage war durchaus berechtigt; Ferayd hatte wirklich nicht über sonderlich viele Galeeren verfügt. Eigentlich gab es in der gesamten Delferahkan Navy alles in allem wahrscheinlich weniger als dreißig Galeeren. Und falls die örtliche Obrigkeit nicht deutlich ausführlicher darüber in Kenntnis gesetzt worden war, was man von ihnen in Kürze erwartete, würde ihnen auch nicht die Zeit geblieben sein, für die drei oder vier Galeeren, die sich bereits in Ferayd befanden, noch weitere Verstärkung herbeizurufen.
Wenn
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