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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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hatte sie die Kontrolle übernommen.
    Es war ganz klar, dass er da sein würde.
    Sie verneigte sich vor ihrem Publikum, das ihren Weg gesäumt hatte, öffnete die Tür und ging hinein. Sie atmete den er- sehnten Geruch nach Motorenöl ein und spürte, wie sich in ihrem Körper die Freude ausbreitete. «Micke!»
    Hinter den Reifenstapeln rührte sich etwas. Der Lichtkegel begleitete sie noch immer, als sie nachsehen ging, was da war. Noch ehe sie dort hinkam, reckte Micke den Kopf in die Höhe. «Hallo ... Was machst du denn hier?»
    Irgendwo tief im Inneren merkte sie, dass er nicht erfreut klang. Eher irritiert. Sie lächelte ihn an. «Jetzt bin ich da.»
    Er sah auf etwas hinunter, was sie nicht sehen konnte, und hätte sie es nicht besser gewusst, dann hätte sie geglaubt, dass er gerade seine Hose zuknöpfte ...
    «Sibylla, es passt gerade nicht so gut. Kannst du nicht vielleicht morgen wiederkommen?» Morgen? Was war das?
    Sie ging zu ihm hin. Hinter dem Reifenstapel lag die braun karierte Decke. Und darunter Maria Johansson. Das Licht um sie herum erlosch. Auserwählt. Nur sein. Nur ihr.
    Sein Körper in Verzückung über den ihren. Für sie.
    Sie beide, zusammengekettet.
    Zusammen.
    Alles für eine Sekunde dieser Nähe. Alles.
    Sie sah ihn an. Er hatte kein Gesicht mehr. Sie wich von ihm zurück.
    «Sibylla...»
    Sie schlug mit dem Rücken gegen die Wand. Rechts die Tür. Die Klinke runterdrücken.

Die jubelnden Menschen waren verschwunden und hatten sie allein zurückgelassen. Direkt vor ihr ein De Soto Firedome. Dreihundertfünf PS. Vier Schritte bis zu der unabgeschlossenen Tür. Der Schlüssel steckte. Fort. Fort. Fort.
    Sie war fast zwei Stunden allein auf dem Boot gewesen, als er
    wiederkam. War die ganze Zeit über, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Besorgnis und Überzeugung pendelnd, wie ein unseliger Geist zwischen den Wänden des Rumpfes umhergewandert.
    Wenn sie nun das Fach überwachten und Thomas nicht aufmerksam genug war? Wenn er sie nun geradewegs zu ihrem Versteck führte?
    Aber er war schließlich nicht von gestern. Natürlich war er vorsichtig.
    Wenn sie ihn nun festgenommen hatten? Blieb er deshalb so lange aus?
    Obwohl sie mit jeder Faser ihres Körpers darauf wartete, war sie doch vor Schreck wie gelähmt, als sie die Schritte auf dem Blechdeck über ihrem Kopf vernahm.
    Dann die Luke, die aufging.
    Sie versteckte sich hinter der Sägemaschine und schloss die Augen. Wie eine Maus in der Falle.
    Der Teufel soll sie holen!
    Aber er war allein. Er kletterte die Stufen herab und sah sich um.
    « Sylla?»
    Sie stand auf.
    «Warum hat das so lange gedauert?»
    Er ging zur Kaffeemaschine, die noch immer eingeschaltet war. Die Neige in der Tasse schüttete er in den Papierkorb.
    «Ich wollte sichergehen, dass mir niemand folgt.»
    «Ist dir jemand gefolgt?»
    Er schüttelte den Kopf und schenkte sich ein wenig frischen Kaffee ein.
    «Nein. Es wirkte alles ganz ruhig da unten.»
    Stumm fragend hielt er ihr die Kanne hin. Sie schüttelte den Kopf. Er holte tief Luft, was sich wie ein Seufzer anhörte, und fuhr dann fort:
    «Sylla. Da war kein Geld.»
    Sie starrte ihn an. Er stellte die Kanne zurück.
    «Verdammt nochmal, was willst du damit sagen?»
    Er breitete die Arme aus.
    «Das Fach war leer.»
    Er log sie an.
    Fünfzehn Jahre lang waren spätestens am dreiundzwanzigsten jeden Monats eintausendfünfhundert Kronen im Postfach gelandet. Jeden Monat. Sie ging zum Papierkorb und zog die Zeitung heraus. Der alte Kaffeesatz landete auf dem Fußboden. Montag, der vierundzwanzigste März. Sie dreht sich um und sah ihn an.
    «Der Teufel soll dich holen, Thomas! Ich habe mich auf dich verlassen.»
    Er starrte sie an.
    «Menschenskind, was willst du damit sagen?»
    Sie kannte diesen Blick schon. So war er immer, wenn er im Rausch seine Wutausbrüche bekam, aber im Moment war sie einfach nicht imstande, sich zu fürchten.
    «Das war mein Geld! Ich komme nicht klar ohne dieses Geld.»
    Zuerst stand er nur still und sah sie an. Dann schmiss er den halb vollen Kaffeebecher an die Wand. Ein paar Werkzeuge, die dort hingen, krachten auf den Fußboden und der braune Kaffee rann hinterher.
    Sie zuckte zusammen bei dem Krach, ließ Thomas aber nicht aus den Augen. Er holte tief Luft, als ob er sich zu sammeln versuchte, trat an eines der Bullaugen und schaute hinaus. Er wandte ihr den Rücken zu, während er sprach.
    «Ich weiß, dass ich schon Sachen gemacht habe, die nicht immer astrein waren. Wenn du mich

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