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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Mitten durch seinen Kopf ging ein Loch. Nun sah sie überhaupt nichts mehr.
    Warum lag sie auf dem Fußboden?
    Das Geräusch eines Stuhles, der zurückgeschoben wurde. Jemand schrie.
    «Lasse! Lasse, ich brauche Hilfe hier.»
    Rasche Schritte über den Fußboden.
    «Ich weiß nicht, was mit ihr los ist. Du musst einen Krankenwagen rufen.»
    Sie wachte davon auf, dass sie einen Tritt in die Seite bekam. Keinen besonders festen, aber fest genug, um sie hellwach zu machen.
    Thomas stand in Unterhosen neben ihr, und eine Sekunde später hatte sie zwei Dinge begriffen.
    Er war voll und er hielt neunundzwanzigtausend Kronen in der Hand.
    Instinktiv legte sie die Hand auf die Brust, wo ihr Geld hätte sein müssen, aber das Einzige, was sie dort spürte, war Haut. Sie war nackt.
    Er lächelte höhnisch und hielt die andere Hand hoch. Darin hatte er den Brustbeutel.
    «Ist es das, wonach du suchst?»
    Sie schluckte. Ihr Mund war völlig ausgetrocknet. Sie hatte seit Jahren keine scharfen Sachen mehr getrunken. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie gar nicht so viel getrunken, aber die Flasche auf dem Tisch war leer, wie sie jetzt entdeckte.
    «Du verdammtes Miststück! Mich zur Post schicken und dann dasitzen und flennen, weil du ohne das Geld nicht klarkommst.»
    Sie versuchte zu denken. Neben ihr lag ihr BH und sie streckte die Hand danach aus, aber Thomas war schneller. Eine rasche Bewegung mit dem Fuß und schon befand er sich außer Reichweite. Sie wollte sich mit dem Schlafsack bedecken.
    «Lieber Thomas ...»
    Er schnitt eine Grimasse und äffte ihren Tonfall nach.
    «Lieber Thomas.»
    Seine Augen waren jetzt schmale Schlitze.
    «Menschenskind, wie konntest du mich bloß dorthin schicken? Ist dir klar, dass sie mich hätten schnappen können? Und dabei liegst du mit einem ganzen Vermögen um den Hals hier rum.»
    Er zerknüllte die Scheine in seiner Hand.
    «Ich habe es gespart», sagte sie leise.
    «Ja, ja, Mensch!»
    «Für ein Haus.»
    Zuerst sah er sie nur an, dann aber lehnte er sich zurück und lachte. Bei dieser schnellen Bewegung verlor er beinahe das Gleichgewicht und er musste nach den Stufen greifen, um sich auf den Beinen zu halten. Diese plötzliche Schwäche verärgerte ihn noch mehr. Bevor er irgendetwas sagen konnte, schlug sie ihren Schlafsack zurück.
    «Thomas», sagte sie so sanft, wie sie nur konnte. «Wir wollen uns doch deswegen nicht streiten. Ich hatte dir das Geld noch zeigen wollen.»
    Ihr war jetzt schlecht. Er hielt sich immer noch an den Stufen fest und hatte Mühe, gerade zu stehen.
    «Eigentlich bin ich hergekommen, weil ich Sehnsucht nach dir hatte.»
    Er sah ihre Brust an. Seine Blicke waren wie Hände und sie musste ein unwillkürliches Schaudern unterdrücken. Er ließ den Brustbeutel fallen. Sie versuchte zu lächeln. Mit einer lässigen Bewegung schnippte er ihre Hoffnung in die Luft, und die
    Scheine segelten zu Boden und landeten zwischen den Sägespänen.
    Im nächsten Moment war er über ihr und sie betete zu Gott, dass es schnell gehen möge.
    Herr, gib mir Mut für all diese leeren Tage. Gib mir Kraft, die nächste Stunde zu überleben, den nächsten Tag, den Rest der unendlich leeren Zeit, die noch bleibt.
    Irgendwo in dem weiten Jenseits wird er auf mich warten, wenn ich komme. Denn wo mein Schatz ist, da wird auch mein Herz sein.
    Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubet dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.
    Denn es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören, und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens; die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.
    Ich kann nichts von mir selber tun. Wie ich höre, so richte ich, und mein Gericht ist recht; denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen des, der mich gesandt hat. Gott erhörte sie auch diesmal nicht. Irgendwann hatte Tho mas endlich genug bekommen und war wie eine erstickend schwere Decke auf ihr liegend eingeschlafen. Ganz, ganz vorsichtig und mit einer unendlich langsamen Bewegung war es ihr gelungen, ihn auf die Seite zu wälzen und aufzustehen.
    Noch nackt sammelte sie ihre zerknüllten Scheine vom Fußboden auf. Sie versuchte sie auf ihrem Schenkel glatt zu streichen und steckte sie schnell in ihren Brustbeutel zurück.
    Thomas lag mit offenem Mund auf der Seite. Aus dem Mundwinkel lief

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