Die Flüchtende
bevor Mama nach Hause kommt.»
«Mmm.»
Endlich wurde die Tür wieder zugemacht. Patriks strahlendes Gesicht tauchte unter der Bettkante auf.
«Jetzt hast du ganz schön Angst gekriegt, was?», flüsterte er.
Sie robbte unterm Bett hervor.
«Hat die Tür kein Schloss?», flüsterte sie zurück, während sie sich den Staub vom Bauch abklopfte.
Er setzte sich aufs Bett und studierte das Blatt Papier, das er vor seinem Vater versteckt hatte. Sie verfolgte seinen Blick.
Die Jagd nach einem Mörder.
Er schien ein Weilchen nachzudenken, dann sah er zu ihr hoch.
«Jetzt weiß ich, was wir machen.»
Sie sagte nichts darauf.
«Überleg doch mal. Die Polizei sucht nur nach dir. Wer soll denn da den richtigen Mörder finden?»
Keine Ahnung.
«Kapierst du denn nicht? Das müssen wir machen. Wir müssen den richtigen Mörder selbst finden.»
Zuerst wurde sie nur böse. Ging zur Tür und griff unterwegs nach ihrem Rucksack. Die Hand schon auf der Türklinke, zögerte sie jedoch.
Sie traute sich noch nicht hinauszugehen.
Sie stellte den Rucksack wieder ab und seufzte tief.
«Das ist kein spannendes Spielchen, Patrik», sagte sie leise.
«Das weiß ich auch, aber hast du einen besseren Vorschlag?»
Sie ließ die Klinke los und drehte sich um. Er bückte sich und sammelte die Blätter ein, die sie auf den Fußboden geworfen hatte. Schließlich half sie ihm. Als die Blätter einigermaßen ordentlich gestapelt auf dem Schreibtisch lagen, setzte sie sich wieder aufs Bett.
«Und wie, meinst du, sollen wir das anstellen?»
Er beugte sich eifrig zu ihr vor.
«Hör her. Die Polizei sucht nur nach dir. Wie wär's, wenn wir uns stattdessen darauf konzentrieren, den richtigen Mörder zu erwischen?»
«Wie denn? Wir haben doch keine Ahnung.»
Er lehnte sich zurück und sah sie an.
«Werd jetzt nicht böse, versprich mir das.»
«Wie soll ich das versprechen können?»
Er zögerte und sie wurde immer neugieriger. Was glaubte er wohl sagen zu können, um sie böse zu machen.
«Meine Mutter ist bei der Polizei.»
Sie starrte ihn an und er rührte sich nicht von der Stelle. Sie spürte, wie ihr Blut in dem Moment, in dem ihr die Bedeutung der Worte Idar wurde, in Wallung geriet.
Sie stand auf.
«Ich muss weg. Schau nach, ob jemand in der Diele ist.»
«Warte doch.»
«JETZT, Patrik.»
Sie hatte die Stimme erhoben und seufzend tat er, was sie sagte. Er öffnete die Tür zuerst einen Spalt breit und dann ganz.
Sie nahm ihren Rucksack und ging an ihm vorbei.
«Kannst du mir nicht einfach mal zuhören?»
Sie ging zügig den Gehsteig entlang, er lediglich einen Schritt hinter ihr. Nun bog sie um die Ecke in die Folkungagatan. Sie hatte wirklich nicht die Absicht, ihm zuzuhören. Meine Mutter ist bei der Polizei! Er hatte sie in ein Wespennest eingeladen. Sie blieb unvermittelt stehen und drehte sich um. Damit hatte er nicht gerechnet und er prallte mit ihr zusammen.
«Verdammt nochmal, was glaubst du denn, wäre passiert, wenn deine Mutter nach Hause gekommen wäre?»
Sie spürte noch immer, wie ihr das Adrenalin durch den Körper strömte.
« Die ist doch zu einem Kurs!»
Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. Er war zu jung, um das zu verstehen. Was konnte sie denn schon verlangen?
«Kapierst du denn nicht, dass es hier um mein Leben geht? Sie hätte krank werden und früher nach Hause kommen können. Was, zum Geier, auch immer. Und dann hätte ich ganz schön blöd da gesessen. Aber vielleicht wolltest du das ja sogar?»
Er wich ein paar Schritte zurück, blieb stehen und sah sie an.
«Na gut, dann sauf dich doch tot!»
Ihre Wut verrauchte. Sie hatte einen einzigen Freund und war jetzt drauf und dran, auch ihn zu verprellen. Er war nicht dazu gekommen, eine Jacke anzuziehen, und versuchte sich zu wärmen, indem er die Arme um sich schlug.
Sie war nicht imstande, klar zu denken. Vorher war es schon anstrengend genug gewesen, aber jetzt hatte sie auch noch eine Art Verantwortung für das Wohl und Wehe dieses Grünschnabels. Wer konnte schon wissen, was ihm alles einfallen würde, sobald sie außer Sichtweite wäre? Das hatte sie sich jedoch selbst zuzuschreiben. Schließlich war sie es gewesen, die ihn in die Sache hineingezogen hatte.
Sie seufzte tief.
«Geh nach Hause und hol dir eine Jacke.»
Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
«Warum denn?»
«Weil du frierst.»
Er sah sie an.
« Glaubst du denn, ich raffe nicht, dass du weg bist, wenn ich zurückkomme?»
«Und was willst du dagegen
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