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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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machen?»
    Sie maßen sich mit Blicken. Dann zog er seine Brieftasche aus der Gesäßtasche und steckte sie ihr in die Jackentasche.
    « Halt das mal, bis ich wieder da bin.»
    Und schon war er fünf, sechs Meter weg und verschwand soeben um die Ecke. Dieser kleine Rotzbengel war gar nicht dumm. Er würde sein Glück machen. Sie zog seine Brieftasche heraus und wog sie in der Hand. Dann schloss sie die Augen und konnte sich das Lächeln nicht verbeißen.
    Ich warte draußen. Ich setze mich in Björns Trädgärd.»
    Er war noch immer nicht ganz überzeugt davon, dass sie nicht abhauen würde. Sie sah, dass er zögerte.
    «Ich verspreche, dass ich warten werde.»
    Diesmal meinte sie es wirklich so. Er nickte und überquerte die Götgatan. Sie sah ihm nach, bis er durch die Tür der Bibliothek am Medborgarplatsen verschwand.
    Als er mit seiner Jacke zurückgekommen war, war sein Gesicht in einem Lächeln erstrahlt, das eine jede unschuldig des Mordes Bezichtigte zum Schmelzen hätte bringen können. Sibylla hatte dieses Lächeln einfach erwidern müssen, und dann hatte sie den ersten Schritt seines Planes erfahren. Er wollte der Polizei eine
    E-Mail schicken und Sibylla für die Nacht ein Alibi geben. Sie hatte gezögert und ihm das Versprechen abgenommen, nicht zu verraten, wo sie sich aufgehalten hätten, und vor allem nicht, wer er sei. Daraufhin hatte er sie mit dem Nicht-ganz-bei-Sinnen- Blick angesehen und erklärt, wenn er hätte verraten wollen, wer er sei, hätte er auch von zu Hause mailen können. Er werde nun aber den Computer in der Bibliothek benutzen, um seine Identität zu verbergen.
    Sie saß jetzt auf einer Bank in Björns Trädgärd und wartete auf ihn. Rings um den Medborgarplatsen tummelten sich die Samstagsflaneure, aber glücklicherweise konnte sie auf den anderen Bänken im Park keine Bekannten entdecken.
    Nach zehn Minuten war er schon wieder bei ihr.
    «Was hast du geschrieben?»
    «Ich habe geschrieben, dass Sibylla Forsenström gerade vor der Bibliothek am Medborgarplatsen sitzt, dass sie aber unschuldig ist.»
    Im ersten Moment ging sie ihm auf den Leim. Im nächsten seufzte sie.
    «Das war nicht lustig, Patrik.»
    «Ich habe geschrieben, dass ich anonym bleiben möchte, aber mit hundertprozentiger Sicherheit wüsste, dass du keine Mörderin bist.»
    Ihr fuhr ein Gedanke durch den Kopf.
    «Woher weißt du das eigentlich? Ich kann doch alle anderen umgebracht haben. Alle, außer dem heute Nacht.»
    «Ja, klar doch! Du wirkst wirklich mordsgefährlich.»
    Sie ließ nicht locker.
    «Mal im Ernst. Wenn ich es nun doch war?»
    Auf seiner Stirn erschien eine Falte. Er sah sie an.
    «Ist es so?»
    Sie ließ sich mit der Antwort etwas Zeit. Dann lächelte sie ein wenig.
    «Nein. Aber du siehst: Nicht einmal du bist dir ganz sicher.»
    « Das bin ich mir wohl, aber du musstest ja jetzt anfangen, darauf herumzureiten.»
    Er war jetzt etwas gereizt und sie ebenfalls. Sie hatte nicht vorgehabt, ein interessantes Maskottchen zu werden, mit dem er eine Weile herumziehen und spielen könnte.
    «Ich möchte nur, dass du nicht alles für so selbstverständlich hältst.»
    Die Falte vertiefte sich. Ihm war jetzt nicht klar, was sie meinte.
    Das war gut so.
    Sie gedachte, auch künftig die Kontrolle zu behalten. Sie nicht an ihn abzutreten.
    Er setzte sich zu ihr und sie schwiegen eine Weile. Menschen gingen an ihnen vorbei und sie folgten ihnen mit dem Blick, aber niemand schien das ungleiche Paar, das da auf der Bank saß, zu beachten.
    Zwei Streifenwagen kamen mit hoher Geschwindigkeit den Buckel der Götgatan heraufgefahren und bogen auf den Medborgarplatsen ein. Sie hatten kein Martinshorn an, damit die Leute auf dem Platz aber aus dem Weg gingen, schalteten sie das Blaulicht ein. Sobald sie angehalten hatten, gingen die Autotüren auf, und aus jedem Wagen stiegen zwei Polizisten und stürmten in die Bibliothek.
    Es war höchste Zeit zu gehen.
    Sie sahen sich an und standen auf. Beschleunigten auf der Tjärhovsgatan ihren Schritt und bogen dann den Hügel zum Mosebacke Torg hinauf ab. Sie sagten noch immer nichts, setzten sich lediglich auf eine der Bänke. An diesem Tag war die Sonne endlich durch die kompakte Wolkenmasse gedrungen, die in den vergangenen Wochen wie ein Deckel über Stockholm gelegen hatte. Sibylla stellte den Rucksack neben sich auf die Bank, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Jetzt ins Ausland fahren! Inein Land, wo immer die Sonne schien und wo niemand nach ihr suchte. Sie war

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