Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
Vom Netzwerk:
Was würde geschehen, wenn sein Vater aufwachte und eine schwarzhaarige Frau mit Rucksack im Zimmer seines Sohnes fände? Noch obendrein eine, die alt genug war, seine Mutter zu sein.
    Sie standen bei Patrik im Treppenhaus und er hatte bereits den Schlüssel ins Schloss gesteckt. Sie unterhielten sich im Flüsterton.
    «Und du bist dir sicher, dass deine Mutter nicht nach Hause kommt?»
    «Sie wird nicht vor morgen Abend zurück sein.»
    Sibylla war trotzdem alles andere als überzeugt.
    War es wirklich richtig, ihn in die Sache mit hineinzuziehen?
    Nachdem er da unten auf dem Schulhof von dem neuen Aushang berichtet hatte, hatte sie sich auf die nächste Bank gesetzt. Dort saß sie dann, starrte über den verlassenen Hof und merkte, wie sie erneut den Mut verlor.
    Er kam nach. Sagte zunächst nicht viel, sondern ließ sie in Ruhe. Sie sah zu der großen Uhr an der Fassade vor ihnen hinauf und wünschte, sie wäre vor ein paar Tagen ihrem Instinkt gefolgt.
    Es wäre besser gewesen, wenn sie diesen Dachboden nie verlassen hätte.
    «Ich kann der Polizei ja sagen, dass du heute Nacht mit mir zusammen warst.»
    Er sah sie hoffnungsvoll an. Schien zu wollen, dass sie wieder frohen Mutes wurde.
    Sie aber schnaubte. Es hörte sich garstiger an als beabsichtigt und sie versuchte ihn anzulächeln.
    « Dann bin ich wahrscheinlich auch noch wegen Kindesraubs dran.»
    «Ich bin immerhin schon fünfzehn», bemerkte er säuerlich.
    Was sollte man darauf sagen?
    «Ich habe keine Chance, Patrik. Ich kann also genauso gut hingehen und ein Geständnis ablegen, damit die Sache ein Ende hat.»
    Er starrte sie an.
    «Spinnst du?»
    Er regte sich richtig auf.
    «Mann, du kannst doch nicht hingehen und etwas gestehen, was du nicht getan hast!»
    «Was soll ich denn machen?»
    Er dachte eine Weile nach.
    « Du kannst vielleicht einfach nur mit ihnen reden.»
    « Das ist doch dasselbe.»
    « Das ist nicht dasselbe.»
    Sie sah ihn an.
    «Begreifst du denn nicht? Sie haben alle schon beschlossen, dass ich die Mörderin bin. Ich habe nicht die geringste Chance.»
    Sie beugte sich vor und stützte den Kopf in die Hände.
    «Die Sache ist nur, dass ich nicht damit fertig werde, eingesperrt zu sein», sagte sie leise.
    «Das wirst du auch nicht, wenn du sagst, wie es ist.»
    Diesmal klang er schon nicht mehr so überzeugt.
    Sie erzählte ihm von Jörgen Grundberg. Von den Fingerabdrücken, die auf seinem Schlüssel gefunden worden waren, von der Perücke und dem Messer, die sie zurückgelassen hatte. Von all den Dingen, die sie zusammen mit ihrem Hintergrund zur perfekten Täterin machten. Eine ehemalige Geisteskranke, obdachlos und ohne soziale Einbindung. Alles passte so perfekt, dass sie vor sich sehen konnte, wie man sich bei der Polizei die Hände rieb. Ganz klar, dass sie es sein musste. Und selbst wenn sie zu guter Letzt einsähen, dass sie unschuldig war, würden sie sie bis dahin einsperren. Das würde sie in den Wahnsinn treiben. Dort war sie schon einmal gewesen, sie wusste also, wovon sie sprach.
    «Und dann hat sich der Mörder ja auch noch an mich angehängt. Bei dem Mord in Västervik hat er ein Bekennerschreiben mit meinem Namen hinterlassen.»
    Er nickte leicht.
    «In Bollnäs auch.»
    Sie sah ihn an.
    «War das dort, wo er heute Nacht zugeschlagen hat?»
    «Nein. Vorgestern, glaube ich. Wo das heute Nacht war, weiß ich nicht.»
    Sie lehnte sich zurück und legte den Kopf auf den Rucksack.
    Vorgestern. Es war also noch ein weiteres Mal passiert, während sie sich da oben auf dem Dachboden versteckt gehalten hatte. Jetzt wurde sie verdächtigt, vier Morde begangen zu haben.
    Er sah sie an.
    «O je. Du wusstest das gar nicht?»
    Sie seufzte.
    «Nein.»
    Für eine Weile schwiegen sie beide. Vielleicht sah er ein, dass es gar nicht so einfach war.
    «Ich weiß», sagte er schließlich. «Wir gehen zu mir nach Hause und checken alles durch, was in den Zeitungen darüber geschrieben wurde.»
    «Wie, zu dir nach Hause?»
    «Wir checken das Netz durch.»
    Sie hatte in der Zeitung davon gelesen. Internet. Diese phantastische neue Welt, die sie noch nie besucht hatte. Sie war skeptisch, sowohl was jene Welt als auch die Einladung nach Hause zu diesem hilfsbereiten Fünfzehnjährigen betraf.
    «Wozu soll das gut sein?»
    «Vielleicht finden wir etwas, was beweist, dass du es nicht warst. Hast du alles gelesen, was darüber geschrieben wurde?»
    «Nein.»
    Er stand auf.
    «Nun komm schon!»
    Sie hatte noch einen Moment gezögert.
    Was war

Weitere Kostenlose Bücher