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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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schrecklich aus“, sagte er.
    „Ich fühle mich auch so. Ich kann nicht hierbleiben, Hart. Ich kann weder schlafen noch essen. Ich kann mit niemandem reden. Ich sehe immer sein Gesicht vor mir … und spüre den Pfosten in der Hand, der seinen Kopf trifft.“
    „Denk an etwas anderes.“
    „Das kann ich nicht“, erwiderte sie aufgebracht. „Ich kann nicht einfach abschalten wie du! Gib mir etwas, damit es weggeht.“
    Hart schüttelte den Kopf. „Dann würde sich jeder fragen, was mit dir los ist. Du mußt selbst damit fertig werden, Meya. Sei stark.“
    Sie starrte auf ihre Hände. „Vielleicht wäre es einfacher, wenn wir es den anderen sagen würden.“
    „Um Himmels willen, Meya! Wir haben ohnehin schon genug Probleme!“
    „Und was soll ich sonst tun?“
    Hart machte eine ärgerliche Geste und stand auf. Meya sah Jason an.
    „Ich werde für eine Weile weggehen“, sagte sie. „Das wird niemanden mißtrauisch machen. Ich kann eine Woche bei Puti oder Teloret verbringen. Im Dorf.“
    „Bei den Kassies“, sagte Hart verächtlich.
    „Ja.“ Sie stand auf. „Bei Freunden.“
    Er baute sich vor ihr auf und legte seine Hände auf ihre Schultern.
    „Glaubst du, daß es dir dort besser geht? Bist du dir dessen sicher?“
    Meya nickte. Sie legte den Kopf auf seine Schulter, und einen Moment später fing er an, sanft über ihr Haar zu streicheln.
    Am Abend war sie verschwunden.
     
    „Das verstehe ich nicht“, sagte Ozchan bitter. „Es sah so gut für uns aus, und plötzlich verschwindet sie einfach. Geht weg, um Freunde zu besuchen. Für eine ganze Woche. Was, zum Teufel, geht hier eigentlich vor?“
    Tabor zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Ich denke darüber jetzt seit siebzehn Jahren nach, ohne der Lösung auch nur näher gekommen zu sein. Sie sind alle so, ohne Ausnahme. Jason meint, sie seien im Grunde alle Einsiedler. Hoku sagt, sie seien einfach nur schwer von Begriff. Sie sehen jeden nur durch drei Lagen ihrer selbst.“
    „Das tut doch jeder.“ Ozchan streckte die Beine dem Feuer entgegen. „Aber Sie scheinen ganz gut damit fertig geworden zu sein“, meinte er.
    „Damit, daß ich Quillas Bettgefährte bin? Nun, es hat seine Vorzüge.“
    „Das klingt zynisch.“
    „Ist aber nicht so gemeint. Ich bin schon zufrieden, wenn ich sie nur um mich habe. Das gleiche gilt für die Kinder. Die Alternative wäre, allein zu sein. So schlecht habe ich es nun auch wieder nicht getroffen.“
    „Wie schön. Und was ist mit der Liebe?“
    Tabor lächelte.
    „Glauben Sie, zwischen uns gäbe es keine? Quilla und ich leben in verschiedenen Welten. Wir sprechen sogar zwei verschiedene Sprachen, und manchmal hapert es mit den Übersetzungen. Sie liebt mich, aber sie kann nicht darüber sprechen. Ich glaube, sie fürchtet sich davor. Sie liebt die Kinder. Ich liebe sie. Nicht alles muß die große Leidenschaft sein.“
    „Steht mir das etwa auch ins Haus? Ein Leben, in dem man alles übersetzen muß?“
    „Ich glaube nicht. Meya ist anders. Sie ist in gewisser Beziehung viel direkter. Und offener. Ich nehme an, daß sie zur Zeit über irgend etwas nachdenkt und daß sie Zeit braucht, um sich darüber klarzuwerden. Aber wenn sie Sie liebt, kann ich mir gut vorstellen, daß Sie sich über mangelnde Leidenschaft nicht zu beklagen haben werden. Sie hat genug für eine ganze Familie.“
    „Worüber soll sie denn nachdenken? Über mich?“
    „Möglicherweise.“ Tabor sah besorgt aus und sah sich im Stall um. Der Feuertopf zu ihren Füßen gab nur wenig Licht ab. Um sie herum war das Gebäude dunkel und still. Nur der allgegenwärtige Regen klopfte auf das Dach. „Ich glaube aber, daß es um mehr geht als nur um Sie. Möglicherweise hat ihr Fortgehen auch etwas mit Hart zu tun.“
    „Und was?“
    „Ich weiß nicht. Ich wünschte, ich wüßte es. Die ganze Angelegenheit erzeugt ein Gefühl in mir, als säße ich auf glühenden Kohlen.“
    „Auf glühenden Kohlen. Das beschreibt es genau.“ Ozchan beugte sich vor. „Was hat Hart angestellt, Tabor? Was hat er vor sieben Jahren getan, daß ihn heute noch jeder mit einer solchen Inbrunst haßt?“
    „Irgendwas. Es gab hier mal einen verrückten alten Mann, mit dem Hart zusammenlebte. Ein alter Biologe. Das war er jedenfalls, bevor er nach Aerie kam. Die beiden haben zusammen irgend etwas ziemlich Abscheuliches getan, wenn man den Gerüchten Glauben schenken kann, aber niemand will darüber reden. Ich glaube, daß Hoku darüber Bescheid weiß – auch

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