Die Flüchtlinge
zusammenreimen müssen. Schließlich ging sie in den Lagerraum, kam mit der Flinte zurück, die Jason dort verschlossen hielt und schoß ein Loch in die Wohnzimmerdecke. Das genügte, um uns eine Weile zum Schweigen zu bringen. Und danach mußten wir ihr zuhören.
Es fiel uns nicht leicht, denn wir waren absolut außer uns in unserer Rachsucht.
Meya schrie auf uns ein, bis ihre Geschichte zu uns durchdrang. Dann zeigte sie uns den Platz, an dem sie Drakes Sachen versteckt hatten: seine Kleider, seine Wertgegenstände und seine Schnapsflasche. Sie brachte uns zu Drakes Grab und kehrte zum Haus zurück, während Tabor, Ozchan und ich den verwesenden Körper des Mannes wieder ausgruben. Ozchan obduzierte ihn auf der Stelle, dann gruben wir ihn wieder ein.
Als wir verschmutzt, naß und müde zum Anwesen zurückkamen, saß Meya neben Jason und hielt seine Hand. Ihre Stirnnarbe, von der wir alle geglaubt hatten, sie hätte sie sich bei einem Sturz in der Werkstatt zugezogen, erschien uns nun entsetzlich und deutlich. Wir standen im Eingang zu Jasons Zimmer, schauten sie an – und sie hob gelassen den Kopf und gab unseren Blick zurück.
„Vielleicht solltet ihr die Föderation benachrichtigen“, sagte sie ruhig. „Aber erst Hart. Damit ihr euch bei ihm entschuldigen könnt.“
Das erstere war undenkbar. Das zweite beschämte uns, aber wir versuchten es trotzdem. Wir konnten ihn nicht finden. Auf Kroeber war er nicht; dorthin war er nicht zurückgekehrt. Die Kommandantin des Zubringers wußte nicht mehr, als daß er ihren Flug bis zum Ende mitgemacht hatte und an einem Hauptgreifer ausgestiegen war. Von dort aus flogen unzählige Schiffe eine Unzahl von Planeten an. Wir konnten seine Spur von dort nicht weiterverfolgen. Eine Sache entdeckten wir aber noch: Tev Drake wurde in den Listen des Bootes als Passagier geführt. Er hatte Aerie angeblich am Tage seines Todes verlassen. Sein Ziel: Kaiphas Bart. Hart hatte den gleichen Zubringer genommen, nur zwei Wochen später. Meya besaß den Anstand, nichts zu sagen. Ich kam mir vor wie ein Haufen Eidechsendreck.
Das Problem Jason blieb uns allerdings. Er lag in seinem Bett, atmete, und sein Herz schlug. Er war die perfekte Erscheinung eines perfekten Menschen. Aber er besaß nicht das geringste Bewußtsein. Hoku und Ozchan hatten ihn förmlich auf den Kopf gestellt, und das mehrmals. Schließlich bat Ozchan die Bibliothek von Solom um alles Material, das sie über Gehirntod besaß. Er verbrachte Wochen damit, das Material zu sichten, um etwas zu finden, das uns helfen konnte. Die Ergebnisse waren frustrierend. Hätte man von Jasons Bewußtsein vor dem Unfall eine Aufzeichnung machen lassen, hätte man ihn nur nach Solom bringen müssen: Dort hätte man ihn reprogrammiert. Wären seine Gehirnwindungen nur gelöscht und nicht zerstört worden, hätte er weiterleben können. Er wäre dann zwar nicht mehr derselbe gewesen, sondern eine Art erwachsenes Baby – aber er hätte alles von Grund auf wieder lernen können. Aber Hart hatte uns sehr sorgfältig erklärt, daß die Behandlung Jasons Gehirn nicht beeinträchtigen würde. Er hatte nicht gewollt, daß irgend etwas sein Bewußtsein hätte verwirren können.
Meya kümmerte sich um unseren Vater. Sie wusch ihn, drehte ihn in eine andere Lage, las ihm vor und sprach mit ihm, als könnte er sie hören und verstehen. Dabei öffnete er nur die Augen und lächelte ihr zu. Ozchan sagte, es bestünde keine Gefahr, daß Meya sich allzu viel Hoffnungen machte. Nachdem ich sie eine Weile beobachtet hatte, glaubte ich ihm. Als Hoku einmal frustriert den Vorschlag machte, man solle Jasons körperliche Funktionen stoppen, widersprach sie ihr allerdings mit einer solchen Heftigkeit, daß das Thema sofort fallengelassen wurde. Außerdem, sagte sie, gebe es nur einen, der eine solche Entscheidung treffen könne: Mish.
Auf Jasons ausdrücklichen Wunsch hin hatte man ihr nichts von der Behandlung erzählt. Er hatte gewollt, daß sie ihn bei ihrer Rückkehr gesund und munter wiederfand. Er wollte ihr mit seinem neuen Körper eine Überraschung bereiten. Deswegen wußte sie von nichts. Glücklicherweise war die Kommunikation zwischen Aerie und Althing Green extrem kostspielig, deswegen kam es zwischen uns nur selten zu einer Verständigung. Es war kein Problem gewesen, die Sache so darzustellen, daß sie den Anschein von Normalität erweckte. Ich sandte einfach die Botschaft „Jason unverändert“, daraus konnte sie nichts ersehen. Sie
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