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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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halbbetäubt um sich, rutschte schon wieder aus, hielt sich an seinem Gegner fest und fiel auf die im Inneren der Wanne angebrachte Sitzbank. Ozchan rutschte auf seinen Schoß. Sie verharrten, starrten einander an. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, ihre Arme und Beine bildeten ein durcheinandergeratenes Knäuel. Die Hitze, die sich in Jes’ Körper breitmachte, konzentrierte sich jetzt zwischen seinen Beinen. Ozchans Leib war halb zur Seite gedreht. Eins seiner Beine lag unter Jes’ Knie. Er spürte, wie Ozchans Erektion seine Hüfte berührte.
    Ozchan berührte Jes’ Stirn mit der Hand.
    „Ich werde dich nehmen“, sagte er. Jes spürte die Worte auf seinen Lippen. Langsam drehte er den Kopf. Ozchans Hand fuhr über sein Haar, krallte sich darin fest und zog ihn hinunter. Ihre Lippen berührten sich.
    „Jes?“
    Schweigen.
    „Das wollte ich nicht.“
    Sie lagen – voneinander getrennt – im Wasser.
    Ozchan drehte sich um und spürte, wie der Wannenrand seine Hüfte berührte.
    „Habe ich dir weh getan?“
    „Nein.“ Jes erzeugte ein leises, amüsiert klingendes Lachen. „Nur einem Teil meines Egos.“
    Der kleinere Mond war aufgegangen und warf sein mattes Licht in das Badehaus hinein. Jes lag auf dem Rücken. Sein Kopf ruhte auf dem Wannenrand. Er hatte die Augen geschlossen. Ozchan musterte ihn.
    „Hast du schon immer …“ sagte er.
    „Was?“
    „Mit Männern?“
    Jes zuckte die Achseln. „Jedenfalls nicht mit jedem. Im Raum macht es keinen Unterschied. Kleine Mannschaften, lange Reisen. Wer gerade greifbar ist.“
    „Das hört sich kaltschnäuzig an.“
    „Ist es aber nicht.“ Jes öffnete die Augen und sah Ozchan an. „Du bist allerdings meine erste Landratte, so besehen.“
    „Landratte?“
    „Zivilist. Planetenbewohner.“
    „Macht das einen Unterschied?“
    „Ja.“ Jes hielt inne. „Wir sind hier auf Aerie. Zu Hause. Da ist alles anders.“
    „Du bist nicht mein erster Raumfahrer“, sagte Ozchan.
    „Erzähl’s mir.“
    Ozchan schwieg. Jes berührte seinen Fuß.
    „Na, komm schon. Sag’s.“
    „Hogarth ist eine Welt der Dritten Reformation“, sagte Ozchan. „Weißt du, was das bedeutet?“
    „Ich habe ein paar von den Leuten kennengelernt. Es sind Fundamentalisten, nicht wahr? Eine religiöse Gruppierung.“
    „Es gibt sie in rauhen Mengen. Ja, das ist das richtige Wort: in rauhen Mengen. Sie sind unnachgiebig und kleingeistig. Fanatiker. Als ich ein Kind war, schien alles, was ich tat, entweder gegen die Gesetze Gottes oder die Hogarths zu verstoßen. Es gab keine Spiele; Spiele sind Sünde. Man durfte auch nicht singen; Singen ist auch Sünde. Die einzigen Bücher, die man im Haus hatte, bestanden aus religiösen Traktaten und einem Handbuch für Erste Hilfe. Ich kannte diese Leute in- und auswendig. Der Hafen lag außerhalb der Stadt. Es war natürlich verboten, ihn zu betreten.“
    „Das ist auf solchen Welten die Regel.“
    „Sei dankbar dafür. Trotz des Verbots hing ich am Hafen herum, sah mir die Schiffe an und unterhielt mich mit den Raumfahrern. Ich träumte vom Weglaufen. Eines Tages nahm mich ein Raumfahrer mit, spendierte mir was zu essen und brachte mich in seine Kabine. Dort blieb ich die ganze Nacht.“
    „Ein armer, unschuldiger Hinterwäldler, verdorben von einem lüsternen Raumfahrer“, sagte Jes. Ozchan sah ihn an, aber Jes lächelte nicht.
    „Nein. Ich war sechzehn. Ich wußte, was er wollte. Wenn ich es nicht auch gewollt hätte, wäre ich nicht mitgegangen.“ Ozchan zuckte die Achseln. „Nach dem, was ich sonst so auf Hogarth gemacht hatte, war es mein schönstes Erlebnis. Bevor es hell wurde, ging ich nach Hause zurück, aber meine Eltern hörten mich kommen. Da ich mich weigerte, Ihnen zu sagen, wo ich gewesen war und was ich getrieben hatte, schleppten sie mich in die Kirche und sperrten mich dort fünf Tage ein. Sie waren außer sich und beteten ununterbrochen, um mir die Dämonen auszutreiben. Und sie prügelten mich, um die Teufel zu treffen. Sie sagten, ich solle bekennen, wo ich mich in dieser Nacht aufgehalten habe. Das sei dann ein Zeichen für sie, daß der Teufel meinen Körper verlassen habe.“
    „Hat das damit zu tun?“
    Jes beugte sich herüber und berührte mit der Fingerspitze Ozchans Seite.
    Die Narbe war nur schwer zu erkennen. Ozchan war überrascht, daß Jes sie überhaupt bemerkt hatte.
    „Ja. Ein Jahr zuvor hatten sie zwei Halbwüchsige geschnappt, die angeblich irgendwelche

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