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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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in die Wanne. Er legte die Flöte neben sich auf eine Ablage und versuchte die Stimmen in seinem Inneren zum Schweigen zu bringen. Sie machten ihm zu schaffen: Er hörte Meya reden, dann Quilla und Tabor – und alle sagten Dinge, die ihm zu schaffen machten. Jes langte nach der Flöte, entlockte ihr ein paar Töne, wischte sich den Mund mit einem Handtuch ab und versuchte es noch einmal. Die Flötenklänge waren nun klarer und lauter und durchdrangen den Dampf. Jes konzentrierte sich auf eine bestimmte Melodie und versuchte ihr einen reinen Klang zu verleihen. Es haute nicht so recht hin, deswegen hörte er auf. Er trocknete das Instrument mit dem Handtuch ab, verließ die große Wanne jedoch nicht.
    „Tabor? Kann ich reinkommen?“
    Jes setzte die Flöte ab und wandte sich langsam um. Auf den Stufen sah er die Umrisse einer Gestalt. Die Stimme zu erkennen fiel ihm leichter.
    „Klar, Ozchan“, sagte er mit sarkastischer Freundlichkeit. „Komm nur rein.“
    Ein Feuerzeug flammte auf und erlosch. Während des kurzen Aufblitzens konnte er das Gesicht des Arztes deutlich erkennen.
    „Ich wußte nicht, daß Sie auch Flöte spielen“, sagte Ozchan.
    „Hat Tabor mir beigebracht. Ist lange her.“
    „Schade nur, daß er Ihnen nicht auch beigebracht hat, wie man sich benimmt.“
    „Haben Sie die Grundzüge des Sarkasmus auf der Universität gelernt, Doktor, oder sind Sie in dieser Beziehung Autodidakt?“
    „Es hängt mir zum Halse heraus“, sagte Ozchan. Er umrundete die Plattform, blieb am anderen Ende der Wanne stehen und musterte Jes, der die Augen zukneifen mußte, um ihn hinter dem Dampf zu erkennen. Schließlich legte Jes die Flöte wieder auf die Ablage.
    „Warum behandeln Sie mich wie einen Hund?“ fragte Ozchan. „Weil ich mich um Ihren Vater gekümmert habe? Ich habe alles für ihn getan, was man von einem Arzt erwarten kann. Fragen Sie Hoku. Ich habe ihn nicht umgebracht. Sie haben genügend Grips im Kopf, um das von allein zu wissen.“
    „Ihr habt ihn alle umgebracht“, erwiderte Jes. „Schon in dem Augenblick, als ihr zugelassen habt, daß er diese Entscheidung traf. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ihr ihn davor behandelt habt. Es wäre sicher nicht schwer gewesen, ihm das Leben dermaßen zu vermiesen, daß er gar keine andere Möglichkeit mehr sah. Aber ich mache nicht speziell Sie dafür verantwortlich. Meya sagt, daß es wirklich Jasons Entscheidung war. Die Leute sollen so nett wie nur möglich zu ihm gewesen sein. Nein, Doktor, für den Tod meines Vaters mache ich Sie nicht verantwortlich.“
    „Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar“, sagte Ozchan. „Aber was, zum Teufel, haben Sie dann gegen mich?“
    „Warum sollte ich etwas gegen Sie haben? Vielleicht sind Sie mir nur allgemein unsympathisch. Mir gefällt einfach Ihre Nase nicht.“
    „Welch ein Quatsch. Sie sind hier reingeplatzt wie ein Halbstarker und haben mit einer Keule aus reinem Haß auf jeden eingeknüppelt. Als litten Sie unter einem Kräfteüberschuß. Möglicherweise stimmt das sogar. Vielleicht ist jeder männliche Kennerin in diesem Universum einfach ein Ekel, und man muß lernen, es hinzunehmen. Ich bin aber nicht bereit dazu. Ich will in Ruhe gelassen werden.“
    „Schließt das auch Meya mit ein?“
    „Meya ganz besonders. Wie stehen Sie überhaupt zu ihr? Was versuchen Sie ihr einzureden? Seit Sie angekommen sind, hat sie kaum mehr als zehn Worte mit mir gewechselt. Hören Sie: Es ist mir egal, ob Sie mich hassen. Sie können von mir aus jeden hassen, den Sie wollen. Aber hören Sie auf damit, meiner Frau das Gehirn zu verdrehen, verstanden?“
    Jes zog sich aus dem Wasser hoch. „Sie ist meine Schwester, Doktor. Und das war sie schon, bevor Sie sie heirateten.“
    „Was, zum Teufel, macht das für einen Unterschied? Sie sind doch nicht ihr Besitzer.“
    „Ebensowenig wie Sie.“
    Sie sahen einander durch den Wasserdampf an.
    „Ich will Meya gar nicht besitzen“, sagte Ozchan. „Ich will nicht mehr, als in Frieden mit ihr leben. Ich glaube, das ist nicht zuviel verlangt. Auch ohne diesen ganzen Quatsch ist es schon schwer genug hier.“
    „Welchen Quatsch meinen Sie?“
    „Sie wollen es also wissen, Kennerin? Ich glaube, daß Sie hierhergekommen und aus irgendwelchen, außerhalb jeglicher Vernunft liegenden Gründen zu der Entscheidung gelangt sind, mich hassen zu müssen. Ich glaube, daß Sie seit diesem Zeitpunkt Meya in dieser Hinsicht bearbeiten. Ich glaube, daß Meya vor mir jemanden auf

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