Die Flüchtlinge
den Eindruck hatte, daß sogar die Luft, die ich atmete, von Wehklagen erfüllt war. Ich wurde zunehmend launischer, grimmiger und gab sarkastische Antworten, was dazu führte, daß die Aeriten noch mürrischer und unzufriedener wurden. Natürlich sah ich, daß dies eine Schraube ohne Ende war, aber ich konnte nichts unternehmen, um aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Die Welt gab mir keinen Trost, und ich hatte die Geschicklichkeit, mich selbst zu trösten, mit meiner Kindheit verloren.
Tabor hatte das Angebot, mit auf Abenteuerfahrt zu gehen, abgelehnt und war bei uns im Haus geblieben, wo er sich um die Kinder kümmerte, Laur zur Hand ging und viele der Myriaden von Kleinigkeiten erledigte, die ich nicht mehr erledigen konnte und für die Jason fehlte. Während des Frühlings gab er seine Krücken auf und ging zu einem Spazierstock über, und ich lauschte dem dreifachen Tappen seiner Schritte im Haus oder im Stall. Abends setzte er sich vor das Feuer, brachte Jes das Flötespielen bei, und ich räkelte mich müde in unserem einzigen bequemen Sessel und dachte mit Verwunderung über die Person nach, zu der ich langsam wurde. Nachdem Jes ins Bett gegangen war, spielte Tabor komplizierte, feinsinnige Melodien, denen ich, während ich gegen den Schlaf ankämpfte, zuhörte. Irgendwann legte er mir dann die Hand auf die Schulter, weckte mich und brachte mich die Treppe hinauf zu meinem Bett, und ich glaube, daß dies die einzigen Gelegenheiten während dieses Frühjahrs waren, bei denen ich lächelte.
Vier Wochen nach Jasons Aufbruch packte Hoku mich nach einem erbitterten Streit mit einem der Aeriten bei der Hand und marschierte mit mir zum Haus, wo sie mich in ihrer typischen, brüsken Art untersuchte und mir verbat, mich noch einmal auf dem Farmland oder in der Ortschaft sehen zu lassen.
„Aber halten Sie sich trotzdem in Bewegung“, sagte sie, als sie ihre Arzttasche schloß. „Die Treppe rauf und runter. Gehen Sie spazieren. Kochen Sie etwas. Springen Sie über Zäune. Aber bleiben Sie von Haven weg, verstanden? Es wird nur dazu führen, daß Sie Amok laufen, und das möchte ich gerne vermeiden!“
„Aber wer kümmert sich inzwischen um die Saat und achtet darauf, daß auf den Feldern alles richtig läuft?“
„Laur“, sagte Hoku, praktisch veranlagt, wie sie war. Als ich mir vorstellte, wie Laur na-Kennerin mit funkensprühenden Augen und vor Empörung näselnder Stimme jene zur Schnecke machte, die ihr mit kleinkarierten Beschwerden kamen, mußte ich unweigerlich lachen.
„Das gefallt mir schon besser“, sagte Hoku und schenkte mir ein sparsames, leichtes Lächeln.
Also blieb ich zu Hause. Quilla half bei der Hausarbeit, Mim unterwies die Köchinnen, und Laur schüchterte die Aeriten ein. Trotz meiner anfänglichen Vorbehalte schien alles zu funktionieren. Ich spazierte um das Haus, wurde immer dicker und unbeweglicher, versuchte dies und das zu tun und stand den anderen dabei meist im Weg herum. Tabor nahm mich auf längere Spaziergänge mit, wobei sein Bein und meine Langsamkeit uns zum gleichen Schritt zwangen. Er machte sich zudem im Haus nützlich, massierte meinen Rücken, wenn er schmerzte, und kümmerte sich um die Probleme der Kinder. Er brachte es fertig, mich mit Nahrung zu versorgen, die mir nicht wieder hochkam, und sorgte dafür, daß ich auch die Medizin nahm, die Hoku mir verordnet hatte. Er verbrachte die Abende mit mir und versetzte mich mit seiner Flötenmusik in ein Zauberland des Friedens und der Behaglichkeit.
Zwei Wochen der Ruhe trugen viel dazu bei, daß ich wieder zu mir selbst zurückfand. Am Tag, an dem das Baby geboren wurde, erwachte ich leicht und gutgelaunt und lächelte über die Erinnerungen an einen blödsinnigen, lebhaften Traum. Der Halaeabaum vor meinem Fenster breitete sich vor dem blassen, von Wolkenbergen bedeckten Himmel aus, und als die Sonne aufging, wurde er tiefblau. Ein Zinnobervogel, der auf dem Baum saß, hüpfte auf einem Bein und hielt nach jedem Schritt an, um sein Federkleid zu glätten. Ich schaffte es mit ungewöhnlicher Anstrengung, mich und meinen Bauch aus dem Bett zu hieven, aufzustehen und eine Robe anzulegen. Dann stand ich vor dem Spiegel, brachte mit der Bürste Ordnung in mein Haar, musterte die zunehmend grauer werdenden Strähnen und meine Krähenfüße, zählte die Falten auf meiner Stirn und fühlte mich, ganz allgemein gesehen, pudelwohl. Ich hatte den verkniffenen Gesichtsausdruck verloren und fühlte mich so lebendig wie im
Weitere Kostenlose Bücher