Die Flüchtlinge
Pflanzenkost und dann das eingepökelte Fleisch. Schließlich gingen auch die uns von Hetch überlassenen Schiffsvorräte zur Neige, und man sprach davon, das Nutzvieh zu schlachten. Die Flüchtlinge wurden mürrisch, magerten ab, und ihre Stimmung wurde so schlecht, daß sie schließlich durch den Schlamm zu unserem Haus kamen und sich dort ausgiebig und lauthals beschwerten, als wüßten sie nicht, daß auch wir hungrig waren. In diesem Augenblick erschienen sie mir wie eine Seuche oder eine habgierige Meute, die einzig und allein aus gierigen Mündern und dem konstanten, summenden Lärm, den die Unzufriedenheit hervorrief, bestand.
Die Winde, die von den nördlichen Eisländern und den erstarrten Inseln zu uns herüberkamen, bescherten uns den kältesten Winter, an den wir uns erinnern konnten. An den Flanken der südlichen Berge sammelten sich riesige Schneewehen an, die sich bis in das Hügelgebiet bei Haven erstreckten. Ein gleichbleibender Regen fiel auf die Felder und die Ortschaft nieder und vermischte sich mit dem Hagel, den der heulende Wind auf uns niedergehen ließ. Eagle, unsere Sonne, verschwand völlig hinter einem stets graugedeckten Himmel. Das Haus war in diesem Winter gleichbleibend kalt, und ich mußte, um die kränklich aussehenden Zimania -Setzlingeam Leben zu erhalten, das Gewächshaus mit kleinen Feuern durchheizen. Von den fünfhundert Setzlingen, die Hetch mir gegeben hatte, fingen lediglich einhundertfünfzig an zu keinem – aber auch davon fielen noch zwölf der Kälte zum Opfer. Das war kein guter Anfang, um eine Pflanzung in Betrieb zu nehmen.
Für die Flüchtlinge war dies ein noch schlimmerer Anfang. Wenn ich einmal nichts zu tun hatte und aus dem Fenster sah, konnte ich inmitten des Sturms die geduckte Gestalt Dr. Hokus erkennen, die von Haus zu Haus und Hütte zu Hütte ging, um die vielen Kranken zu versorgen. Vier Personen fielen der Kälte und dem Hunger zum Opfer; dann, als der Winter zur Hälfte herum war, retteten uns die Kasiren, indem sie zu uns kamen und uns mit Fischen, Fischen und nochmals Fischen beschenkten. Schließlich rochen unser Haus und jeder, der darin wohnte, dermaßen nach Ozean, daß ich mir schwor, eher zu verhungern, als noch einmal eine Portion davon zu mir zu nehmen. Hokus tauchte auf, betastete meinen geschwollenen Bauch und befahl mir in ihrer typischen Art, weiter Fisch zu essen. Ob es mir schmeckte oder nicht, sei ihr egal, und es sei ihr auch wurscht, ob ich verhungere; aber daß ich dem Baby schadete, wolle sie nicht zulassen. Ich gab einen gemurmelten Protest von mir, der sie völlig kalt ließ. Ich beschwerte mich in dieser Jahreszeit noch des öfteren.
Ich hatte die Schwangerschaft mit Freude zur Kenntnis genommen, denn ich sah in ihr eine nochmalige Versicherung des Versprechens, daß sich trotz der Veränderung auf Aerie an meinem Leben nichts ändern würde. Quilla war der Ausgangspunkt unserer Heirat gewesen, Jes der Anfang unseres Lebens auf Aerie, und Hart hatte ich in jenem Frühling empfangen, in dem uns klargeworden war, daß wir eine neue Heimat gefunden hatten und auf diesem Planeten unser Glück finden würden. Und dieses Winterkind symbolisierte den Umbruch, war das noch fehlende Glied, das die Vergangenheit und die Zukunft verband. Es würde immer Kennerins auf Aerie geben. Als ich es Jason erzählte, sagte er: „Guter Gott, Frau, haben wir nicht schon genug zu tun?“ Dann lächelte er und küßte mich, aber ich hatte doch den Eindruck, daß plötzlich eine gewisse Kühle zwischen uns war und Jason der Fürsorge und Freude, die meine anderen Schwangerschaften hervorgerufen hatten, entbehrte.
Dann, als der Winter zu Ende ging, kam Jason eines Abends nach Hause und hatte den Kopf voller neuer Pläne und Abenteuerlichkeiten. Sie hatten an diesem Tag damit angefangen, ein Boot auf Kiel zu legen. Wenn es Frühling wurde, wollten er und seine Freunde nach To’an Betes, unserer Nachbarinsel, segeln und sich dort umsehen. Er platzte beinahe vor Abenteuerlust und beschrieb den Kurs, den das Boot nehmen sollte, mit der Gabel auf dem Tischtuch.
„Und was ist mit der Frühjahrssaat?“ fragte ich schwach.
„Oh, darum kannst du dich kümmern“, erwiderte er, tauchte einen Finger in sein Glas und zeichnete die Bootsumrisse auf seinen leeren Teller.
„Dann wird das Baby fällig sein.“
Aber er war zu sehr damit beschäftigt, mit seiner Gabel Balken und Planken auf den Teller zu malen.
Einen Monat später, als ich immer noch keine
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