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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Kellneranzug mit rumänischem Akzent befahl mir, mich nicht von der Stelle zu bewegen und dass man bereits die Polizei benachrichtigt habe.
    »Ich bin die Polizei, Idiot!«, sagte ich, aber es klang ein wenig gedämpft, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich meine Kinnlade irgendwie falsch platziert anfühlte. Ich fischte meinen Dienstausweis heraus und wedelte damit vor seiner Nase herum. Er reichte mir die Hand und half mir auf die Beine. Inzwischen hatte sich die Bar geleert und das Personal begann mit dem Aufräumen. Jemand hatte meine Spritze platt getreten. Ich tastete mein Gesicht ab. Da noch alle meine Zähne an Ort und Stelle waren, musste sich Seawoll ziemlich zurückgehalten haben. Ich fragte, wohin der große Mann verschwunden sei, und die Angestellten sagten, er sei mit der blonden Frau die Treppe hinuntergelaufen.
    »In den Zuschauerraum?«, fragte ich, aber das wussten sie nicht.
    Ich rannte die Treppe hinunter und fand mich vor dem langen Marmortresen der Garderobe wieder. Das Gute an Seawoll ist, dass man ihn kaum übersehen kann, und vergessen noch weniger, deshalb wusste die Garderobiere,dass er in Richtung des Eingangs zum Parkett gegangen war. Ich lief in die Lobby zurück, wo sich mir eine höfliche junge Dame in den Weg stellte. Ich sagte ihr, dass ich dringend den Manager sprechen müsse, und als sie ihn holen ging, schlüpfte ich durch die Tür.
    Die Musik überrollte mich wie eine große, düstere Woge, doch die schiere Größe des Theaters überwältigte mich. Ein riesiger hufeisenförmiger Raum, in dem sich eine Schicht aus Gold und rotem Samt über der anderen auftürmte. Vor mir erstreckte sich ein Meer von Köpfen bis hinunter zum Orchestergraben und dahinter erhob sich die Bühne. Die Kulisse zeigte das Heck eines Segelschiffs, aber der Maßstab war übertrieben groß und das Seitendeck ragte turmhoch über den Sängern empor. Alles war in kühlen Farbtönen gehalten, in Blau, Grau und Schmutzigweiß, ein Schiff, das auf dem feindlichen Ozean dahintreibt. Auch die Musik war entsprechend finster, und für meinen Geschmack hätte das ganze Arrangement wirklich ein bisschen mehr Rhythmus oder ersatzweise ein Mädchen im Minirock vertragen können. Männer in Uniform und Dreispitz besangen einander, während ein blonder Bursche in weißem Hemd dem Treiben mit Rehaugen folgte. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass die Sache für den Blonden nicht gut enden würde und möglicherweise auch nicht für die Zuschauer. Gerade hatte ich entdeckt, dass der Tenor den Kapitän spielte, als dem Bass, der offenbar den Bösewicht des Stückes gab, plötzlich die Stimme versagte. Zuerst dachte ich, dass das zu seiner Rolle gehörte, aber das Murmeln, das durch die Zuschauer lief, machte mir klar, dass hier etwas gründlich schiefging. Der Sänger versuchte es noch einmal, hatte aberoffenbar Probleme, sich an seinen Part zu erinnern. Der Tenor bemühte sich, die Panne zu überspielen, aber auch ihm versagte plötzlich die Stimme. Die Unruhe im Publikum wuchs und begann das Orchester zu übertönen, das jetzt ebenfalls bemerkte, dass etwas nicht stimmte, und plötzlich abbrach.
    Ich rannte den Hauptgang hinunter auf den Orchestergraben zu, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie ich von dort auf die Bühne gelangen sollte. Ein paar Zuschauer waren aufgesprungen und reckten die Hälse, um besser sehen zu können, was vorne abging. Als ich den Rand des Orchestergrabens erreichte, blickte ich hinunter. Die Musiker saßen noch immer mit spielbereiten Instrumenten auf ihren Plätzen. Ich war ihnen so nahe, dass ich den Ersten Geiger hätte berühren können. Er zitterte heftig und sein Blick war verschleiert. Der Dirigent klopfte mit dem Stab auf sein Notenpult, und die Musiker begannen wieder zu spielen. Ich erkannte die Musik sofort   – es war das erste Lied, das Mr.   Punch laut Piccini-Rollenbuch sang:
Marlbrough s’en va-t-en guerre
, ein altes französisches Volkslied, aber in der englischsprachigen Welt lautete der Titel
For He’s a Jolly Good Fellow.
    Der Tenor, der den Kapitän spielte, griff als Erster den Refrain auf:
     
    »Mr.   Punch is a jolly good fellow,
    His dress is all scarlet and yellow.«
     
    Der Bass und der Bariton fielen schnell nacheinander ein, dann auch der ganze Rest der Sänger, und sie sangen, als hätten sie den Text direkt vor sich:
     
    »And if now and then he gets mellow,
    It’s only amongst good friends.«
     
    Die Sänger stampften im Takt der Musik. Das Publikum

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