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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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schien auf den Sitzen festgefroren, schwer zu sagen, ob es verwirrt, gebannt oder einfach zu entsetzt war, um sich zu regen. Dann fiel die erste Sitzreihe im Parkett mit Händen und Füßen in den Takt ein. Auch ich merkte, wie der Impuls mich überfiel, spürte eine plötzliche Welle von Biergeruch, Kegeln, Pasteten und Tanz und zum Teufel mit dem, was andere denken.
     
    »With the girls he’s a rogue and rover;
    He lives, while he can, upon clover.«
     
    Das Klatschen und Stampfen breitete sich rasend schnell in die hinteren Reihen des Parketts aus. Die gute Akustik der Oper sorgte dafür, dass das Stampfen noch lauter wirkte als auf den Tribünen im alten Arsenalstadion von Highbury, aber genauso ansteckend. Ich musste die Knie zusammenpressen, damit sie sich nicht wie von selbst bewegten.
     
    »When he dies   – it’s only all over:
    And there Punch’s comedy ends.«
     
    Lesley marschierte auf die Bühne und stieg frech wie Oskar die Stufen zu dem überdimensionierten Seitendeck hinauf. Sie wandte sich dem Publikum zu. Erst jetzt sah ich, dass sie einen Stock mit Silbergriff in der Hand hielt   – der Mistkerl hatte Nightingales Stock geklaut. Ein Spotlightstach durch die Dunkelheit und übergoss sie mit grellweißem Licht. Die Musik und das Singen brachen ab; das Stampfen verstummte allmählich.
    »Meine Damen und Herren«, rief Lesley, »liebe Kinder. Ich präsentiere euch heute die Höchst Tragische Komödie oder Komische Tragödie von Mister Punch, wie sie uns von dem großen Schauspieler und Impresario Mister Henry Pyke überliefert wurde.« Sie wartete auf Applaus. Als er nicht kam, murmelte sie etwas und machte eine kleine Geste mit dem Stock. Ich spürte, wie ich von einem Zwang zu klatschen überrollt wurde; hinter mir begann das Publikum zu applaudieren.
    Lesley verneigte sich anmutig. »Es ist mir eine Freude, hier zu sein«, sagte sie. »Herrje, wie viel größer das Theater ist als zu meiner Zeit! Ist zufällig jemand aus den 1790er-Jahren anwesend?«
    Ein einzelner Zuruf kam von den oberen Rängen herab, als Beweis dafür, dass sich in jeder Menge irgendein Witzbold befindet.
    »Nicht dass ich Euch nicht glaube, Sir, aber Ihr seid ein verdammter Lügner«, rief Lesley. »Doch der alte Schmierenkomödiant wird bald hier sein.« Sie schaute durch die Scheinwerfer ins Parkett hinunter, offenbar suchte sie etwas. »Ich weiß, dass du dort draußen bist, du schwarzer irischer Köter.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Möchte nur sagen, wie schön es ist, hier im 21.   Jahrhundert zu sein«, sagte sie plötzlich. »Eine Menge Dinge, für die man dankbar sein kann, fließendes Wasser im Haus, pferdelose Kutschen, eine ordentliche Lebenserwartung.«
    Ich konnte keine Möglichkeit entdecken, vom Parkettauf die Bühne zu gelangen. Der Orchestergraben war zwei Meter tief und der vordere Bühnenrand war zu hoch, als dass man ihn mit den Händen hätte erreichen können.
    »Heute Abend, meine Damen und Herren, liebe Kinder, werde ich euch mit der betrüblichen Szene aus der Tragischen Komödie von Mister Punch unterhalten«, verkündete Lesley, »die seine Gefangennahme und, bedauerlicherweise, alsbaldige Hinrichtung behandelt.«
    »Nein!«, schrie ich. Ich hatte das Rollenbuch gelesen und wusste, was jetzt kommen würde.
    Lesley blickte mir direkt in die Augen und lächelte. »Doch, natürlich«, sagte sie. »So geht das Stück.« Knochen knackten; ihr Gesicht veränderte sich. Ihre Nase wuchs zu einem hakenförmigen Gebilde, ihre Stimme stieg zu einem durchdringenden, schrillen Kreischen an.
    »So macht man das!«, gellte sie.
    Es war zu spät. Trotzdem sprang ich mit einem Satz in den Orchestergraben. Das Royal Opera House knausert nicht am Orchester herum, etwa mit Viertelbesetzung und einer einzigen Pauke, nein, hier hält man sich ein volles Orchester mit siebzig Musikern und entsprechend groß ist der Graben. Ich landete inmitten der Streicher, die vom Einfluss Henry Pykes noch nicht so stark erfasst worden waren, dass sie nicht lauthals protestiert hätten. Ich drängte mich durch die Holzbläser, aber es nutzte alles nichts, selbst mit einem Sprung aus dem Stand konnte ich den Bühnenrand nicht mit den Händen erreichen. Einer der Geiger fragte mich, was zum Teufel ich hier zu suchen hätte, und drohte, unterstützt von einem Kontrabassisten, mir umgehend den Schädel einzuschlagen.Beide hatten diesen fiesen betrunkenen Freitagnacht-Blick, den ich inzwischen mit Henry Pyke in Verbindung

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