Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
Vom Netzwerk:
Überraschungsangriffs nicht vernachlässigen. Ihr Punch-Gesicht verzog sich vor Wut, vermutlich, weil ich ein paar Zeilen des Textes einfach übersprungen hatte, aber immerhin spielte sie weiter mit   – genau wie ich gehofft hatte. Wir kamen jetzt zu dem Teil, in dem Jack Ketch Mr.   Punch ergreift und zur Galgenschlinge zerrt, wo dann der gerissene Gattinnenmörder seinen Henker Jack Ketch austrickst und ihn dazu bringt, den eigenen Kopf durch die Schlinge zu stecken und sich so selbst zu erhängen. Nein, nein, keine Sorge, heutzutage dient das nicht mehr als Rollenvorbild für die lieben Kleinen, die Szene wird in der Regel gestrichen.
    Ich hielt die Spritze bereit.
    Lesley krümmte sich zusammen, als ich näher kam.»Seid doch barmherzig!«, quäkte sie. »Ich werde es auch nie wieder tun!«
    »Das steht fest«, sagte ich, aber bevor ich ihr die Spritze geben konnte, wirbelte sie plötzlich herum und stieß mir Nightingales Stock vors Gesicht. Meine Rücken- und Schultermuskeln verkrampften sich, und ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu behalten.
    »Wisst Ihr, was das hier ist?«, kreischte Lesley und wedelte mit dem Stock vor mir herum.
    Ich versuchte zu sagen, »Es ist ein Stock«, aber meine Kiefermuskeln waren ebenfalls starr geworden.
    »Wie Prospero Buch und Stab besaß«, sagte sie, »so hat auch Euer Meister beides, aber ich benötige nur den Stab. In der Welt der Geister hat man im Umgang mit Magie ein gewisses
je ne sais quois
, aber was einem
sans
Körperlichkeit fehlt, ist jener Funke Vitalität, der unentbehrlich ist, soll das Verlangen gestillt werden.«
    Was mir bestätigte, dass Henry Pyke keine eigene magische Kraft besaß, eine Erkenntnis, die ich sehr viel interessanter gefunden hätte, wäre ich nicht wie gelähmt und seiner Barmherzigkeit ausgeliefert gewesen.
    »Dies ist die Quelle der Macht Eures Meisters«, sagte Lesley. »Und mit seiner Macht kann ich, nun ja, so ziemlich alles tun, wonach mir der Sinn steht.« Sie grinste, wobei ihre zerstörten Zähne sichtbar wurden. »Und Euer Text, Sir, lautet jetzt: ›Nun, Mister Punch, kein weit’res Zaudern mehr.‹«
    »Nun, Mister Punch, kein weit’res Zaudern mehr«, sagte ich und deutete auf das Seil. »Steckt Euren Kopf durch diese Schlinge.« Das Unheimliche war, dass ich in diesem Augenblick den Bann, unter dem ich stand, sodeutlich spürte wie eine
Forma
, eine Gestalt in meinem Kopf, die aber nicht aus meinem Kopf stammte.
    »Da hindurch?«, fragte Lesley und zwinkerte dem Publikum zu. »Wozu denn?«
    »Jawohl, da hindurch«, sagte ich. Und wieder spürte ich es, und dieses Mal war ich ganz sicher, dass die Idee der Gestalt zwar von außen kam, dass aber die tatsächliche Gestalt von meinem eigenen Denken geformt wurde. Es war ein bisschen wie Hypnose, eher eine Suggestion als ein Befehl.
    »Wozu? Ich weiß nicht wie«, jammerte Lesley und nahm eine Pose tiefster Verzweiflung an.
    »Es ist ganz leicht«, sagte ich und griff nach der Schlinge. Das Seil kratzte über meine Handfläche. »Ihr braucht nur den Kopf hier hindurchzustecken.«
    Lesley streckte den Kopf vor, verfehlte die Schlinge völlig und fragte: »Wie denn   – so?«
    »Nein, nein«, sagte ich und deutete auf die Schlinge. »Hier durch!« Wenn es tatsächlich nur eine Suggestion war, überlegte ich, dann müsste ich in der Lage sein, sie einfach wegzudenken.
    Lesley verfehlte die Schlinge mit theatralischem Getue ein weiteres Mal. »Also so?«, fragte sie.
    Ich versuchte, die Gestalt aus meinem Denken zu verdrängen, hörte mich aber trotzdem sagen: »Nicht so, du Narr!«, wobei ich den Kopf schüttelte. Ich würde mir verdammt schnell etwas einfallen lassen müssen, weil nämlich die Rolle des Jack Ketch vorsah, dass der Dummkopf nicht mal zwei Zeilen später den eigenen Hals in die Schlinge steckte und sich selbst aufhängte, und mich gleich mit ihm.
    »Passt nur auf, wen Ihr Narr nennt, und zeigt mir erst mal, dass Ihr es selbst tun könnt!«, quäkte Lesley und machte eine kurze Pause, damit das Publikum Zeit hatte, voller Vorfreude zu kichern. »Ihr müsst mir nur zeigen, wie es gemacht wird, dann tue ich es sofort selbst.«
    Mein Körper nahm schon die Bewegung vorweg, mit der ich gleich meinen Kopf durch die Schlinge schieben würde. Im selben Moment kam mir der Gedanke, dass ich, wenn ich schon den Bann nicht abschütteln konnte, ihn vielleicht wenigstens so weit verändern könnte, dass er brach. Ich tat das so ähnlich, wie man eine Schallwelle maskiert  

Weitere Kostenlose Bücher