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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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– man erzeugt einen Gegenschall mit gegenläufiger Frequenz   –, was ziemlich knifflig ist und gefühlsmäßig gar nicht überzeugend, aber es funktioniert. Ich konnte nur hoffen, dass es auch bei dem Bann in meinem Kopf funktionieren würde, weil ich gerade erst die Gestalt im Kopf zu formen begonnen hatte, als mein Mund schon sagte: »Gut, ich will’s dir zeigen.«
    Meine
Forma
und der Bann trafen aufeinander wie zwei Zahnräder im Getriebe, die plötzlich gegeneinander geschaltet werden. Ich spürte tatsächlich, dass Bruchstücke meiner
Forma
durch mein Gehirn schossen und als schmerzhafte Querschläger von der Innenseite meines Hirns abprallten, aber das war vielleicht auch bloße Einbildung. Spielte ohnehin keine Rolle. Ich spürte, wie sich meine Muskeln entspannten, riss den Kopf von der Schlinge weg und schaute Lesley triumphierend an. »Oder vielleicht auch nicht.«
    Ein gewaltiger Arm umklammerte meinen Brustkorb von hinten und eine riesige Hand packte meinen Hinterkopf und schob ihn rabiat durch die Schlinge. Ich rochKamelhaar und Chanel-Aftershave   – Seawoll musste sich unbemerkt an mich angeschlichen haben, während ich mir besonders clever vorkam.
    »Oder vielleicht doch«, sagte Lesley.
    Ich wehrte mich zappelnd. Obwohl es eine Menge großer Männer gibt, die überraschend schwach sind, gehörte Seawoll ganz bestimmt nicht dazu, deshalb rammte ich ihm die Spritze in die erreichbare Hand und gab ihm die volle Dosis. Leider war die volle Dosis für Lesley berechnet, die nur ungefähr halb so groß und schwer war wie Seawoll. Sein Druck wurde kein bisschen schwächer, bis Lesley schrie: »Hisst ihn hoch, Jungs!« und ich am Hals in die Höhe gezogen wurde.
    Was mir das Leben rettete, war die schlichte Tatsache, dass es sich um eine Theatergalgenschlinge handelte, die man den Sicherheitsvorschriften entsprechend speziell so entwickelt hatte, dass der attraktive kroatische Bariton, dessen Hals von Rechts wegen jetzt eigentlich darin stecken müsste,
nicht
gehenkt wurde. Der Henkersknoten war nur Attrappe, denn statt der frei laufenden Schlinge verlief im Seil eine Metallverstärkung, die verhinderte, dass sich die Schlinge zuzog. Bestimmt gab es auch irgendwo eine Öse, an der die Halterung eines kunstvoll verborgenen Sicherheitsgurts eingehakt werden konnte, den der gut aussehende Bariton trug, wenn er zu seiner Abschiedsarie auftrat. Leider hatte ich keinen Sicherheitsgurt, deshalb henkte mich das verdammte Ding tatsächlich beinahe, bevor ich es schaffte, meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, wobei ich mir die Haut am Kinn aufschürfte. Irgendwie gelang es mir, meinen Ellbogen zur Unterstützung durch die Schlinge zu schieben, trotzdemschoss mir ein stechender Schmerz durchs Rückgrat.
    Ich warf einen kurzen Blick nach unten und musste feststellen, dass ich gute fünf Meter über der Bühne hing. Unter diesen Umständen hatte ich nicht vor, die Schlinge in absehbarer Zeit loszulassen.
    Unten hatte sich Lesley wieder an das Publikum gewandt. »So viel zum Schutzmann!«, rief sie. Hinter ihr ließ sich Seawoll schwer auf die Treppe fallen und kippte dann nach vorn wie ein erschöpfter Langstreckenläufer   – das Etorphin-Hydrochlorid begann endlich zu wirken.
    »Seht nur«, sagte Lesley, »ein Ordnungshüter in den letzten Zuckungen, der andere schläft ein, zweifellos hat er sich besinnungslos getrunken. Sollen wir aufrechte Engländer unser Vertrauen in Schweine setzen, die sich kaum von den Bösewichten unterscheiden, die sie doch angeblich jagen? Wie lange noch, meine Damen und Herren, liebe Jungen und Mädchen, wie lange noch seid ihr bereit, dies hinzunehmen? Wie kann es sein, dass ehrenwerte Männer ihre Steuern zahlen, während Ausländer nichts zahlen und alle Freiheiten beanspruchen, die sich der aufrechte Engländer hart erkämpfen musste?«
    Mir fiel es immer schwerer, mich an das Seil zu klammern, aber die Alternative, einfach loszulassen, erschien mir nicht sehr attraktiv. Zu beiden Seiten der Bühne hingen Vorhänge, und ich fragte mich, ob ich mich weit genug hinüberschwingen könnte, um sie zu fassen. Ich packte die Schlinge mit beiden Händen und begann, durch Gewichtsverlagerung und Beinbewegungen hin und her zu schwingen.
    »Denn wer wird stärker unterdrückt?«, fuhr Lesley fort. »Jene, die nur das wollen, was ihnen zusteht, nämlich das Recht auf den eigenen Vorteil, oder jene, die alles beanspruchen, Beihilfen, Wohngeld, Arbeitsunfähigkeitshilfen, und nichts

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